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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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7. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0240

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RUNDSCHAU

SAMMLUNGEN

DIE NEUE BESUCHSORDNUNG IM
VÄTIKÄN

Das Skulpturen-Museum ist geöffnet: alle
Tage.

Das Museo Gregoriano (Etrurien und Ägyp-
ten): Dienstag und Donnerstag.

Die Galleria dei Candelabri e degli Ärazzi:
Montag, Dienstag und Freitag.

Weiter sind geöffnet die Galleria delle Carte
geografiche, die Sixtinische Kapelle, die Stanzen
und Loggien Raffaels und die Kapelle Nikolaus V.:
am Montag, Mittwoch und Freitag. Das
Rppartamento Borgia: am Dienstag undDon-
nerstag.

Das ist der Inhalt der Anschläge, die seit weni-
gen Wochen amPortone di Bronzo und am Ein-
gang der Skulpturengalerie prangen. Diese neue
Besuchsordnung bedeutet vor allem, daß die Be-
sichtigung der Sixtina und der Stanzen, die man
sonst die ganze Woche sehen konnte, auf drei
Tage beschränkt worden ist. Sie bedeutet ferner,
daß der Eintritt in den Vatikan nicht mehr durchs
Portone di Bronzo zu geschehen hat, sondern vom
Belvedere aus durch die Skulpturengalerie und
weiter durch die Galerie der Carte geografiche.
Damit hat außerdem der unentgeltliche Besuch der
Sixtina und der Stanzen aufgehört, denn jeder,
der sie besuchen will, wird am Eingang der
Skulpturengalerie seinen Obolus entrichten müs-
sen. Dazu kommt, daß man den Hinweg und
den Rückweg um St. Peter herum zu nehmen
hat zu Fuß, indem man eine Viertelstunde opfert
zu Wagen, indem man mit seinem Kutscher,
der sich natürlich more solito nur bis zum
Portone di Bronzo verpflichten will, eine be-
sondere Taxe vereinbart.

Diese immerhin nicht unerheblichen Nachteile,
die vor allem die Sixtina-Besucher treffen, weil
der Hin- und Rückweg zur Kapelle selbst noch
im Vatikan äußerst lang und beschwerlich ist,
werden indessen durch einige Vorteile wenig-
stens teilweise aufgewogen. Wer heute am
Montag, Mittwoch oder Freitag durch die Skulp-
galerie zu den Teppichen Raffaels emporsteigt
und von dort aus durch die Galleria delle Carte
geografiche die Stanzen aufsucht, der erhält jetzt
vielmehr als früher eine Vorstellung von der
Fülle der Denkmäler, die der Vatikan einschließt.

Gregor XIII., jener Papst aus dem Bolognesi-
schen Geschlecht der Boncompagni, in dessen
Seele die künstlerischen Traditionen der großen
Renaissansepäpste am lebendigsten fortlebte,
ließ i. J. 158i die Galerie im 2. Stock des Bel-
vedere über der vatikanischen Bibliothek mit
jenen prächtigen Karten und Fresken schmücken,
die bis heute dem Publikum verschlossen waren.
Diese glänzende Galerie führt uns direkt in die
Stanzen — allerdings durch die Vorgemächer
der Torre Borgia, die z. Z. noch mit wenig er-
freulichen modernen Historienbildern geschmückt
sind.

Aber wenn erst die Absicht verwirklicht sein
wird, in diesen Räumen die Sammlung kost-
barer Gobelins unterzubringen, die der Vatikan
besitzt, und die bis heute noch nicht aufgehängt
werden konnten, so wird kein schönerer Zugang
zu den Stanzen, den Loggien Raffaels und der
Nikolaus-Kapelle gedacht werden können.

Nur die Sixtinisdie Kapelle erscheint durch
die neue Besuchsordnung den Besuchern in
schwer erreichbare Fernen entrückt und das nicht
ohne Absicht. Der Schaden, den fromme und
profane Pilgerscharen in den letzten Jahren im
Heiligtum Sixtus IV. angerichtet haben, machte
sich alle Jahre fühlbarer. Das Opus Älexandri-
mum des Fußbodens mußte fast beständig re-
stauriertwerden, und die äußerst mühsame Rei-
nigung der Wände hatte kaum noch Erfolg.
Überdies hat der Prinzregent von Bayern dem
Papst zum Jubiläum neue Fenster für die Six-
tina verehrt, die genau nach dem alten Muster
demnächst in der Kapelle angebracht werden
sollen. Aber das Problem des Lichtes ist mit
Rücksicht auf die Decke Michelangelos nicht ohne
Schwierigkeit zu lösen. Es werden erst eben
die ersten Experimente gemacht, und es muß
wünschenswert erscheinen, den Besuch der Ka-
pelle einzuschränken bis die Arbeit vollendet ist.

Bedenken wir endlich, wie viel im Vatikan
in den letzten Jahrzehnten für Kunst und Wissen-
schaft geschehen ist, welchen Aufschwung die
Bibliothek genommen hat, wie sachgemäß Six-
tina und und Äppartamento Borgia wieder her-
gestellt wurden, wie herrlich die Neuordnung
der Pinakothek gelungen ist, so wird man
billigerweise dem Papst das Recht zugestehen
müssen, in den Teilen des Vatikans, die er für
sich reserviert, genau wie ein anderer Souverän
als Herr zu schalten. Pius X. ist ein Freund
geordneter Verhältnisse. Mit zielbewußter Kon-
 
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