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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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8. Heft
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Von den Auktionen
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Kleine Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0293

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Von den Auktionen s Kleine Nachrichten

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LEIPZIG -

Anfang Mai werden bei Oswald Weigel,
Königstrasse 1, zwei Versteigerungen stattfinden,
welche in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert
sind. Die erste bringt in einer gut katalogi-
sierten Blattsammlung prächtigen Buchschmuck
von den ersten Zeiten des Buchdrucks bis gegen
Ende des XVI11. Jahrhunderts. Frühe, blattgroße
Holzschnitte, Titel und Textillustrationen, und
eine Fülle von Buchornamentik; Bordüren, Ini-
tialen, Signete, Vignetten, Zierleisten usw. geben
in großen Zügen ein gutes Bild wertvoller Buch-
kunst Italiens, Frankreichs, Deutschlands, der
Schweiz usw. Dem illustrierten Kataloge geht
ein orientierendes Vorwort voraus, während
ein sorgfältig bearbeitetes Register dessen Wert
erhöht und dauernde Beachtung sichert.

Die andere Auktion (N. F. 16) zerfällt in drei
Hauptgruppen: Kunstblätter, Äutographen, wert-
volle Werke aus verschiedenen Wissenschaften.
Während die Kunstblätter und Bücher zum Teil
aus der Sammlung des Schriftstellers Carus
Sterne (Professor Dr. Ernst Krause) stammen,
gehören die Äutographen zu dem Nachlasse
eines schon länger verstorbenen Leipziger
Theaterkritikers und Rezensenten. Unter den
Kunstblättern dürfte der prachtvolle Christuskopf
Mellans besondere Anziehung ausüben.

KLEINE NACHRICHTEN

DER BÖCKLIN-FÄLSCHUNGS-
PROZESS IN BASEL

Am 7. April ist vor dem Strafgericht in Basel
nach mehrtägigen Verhandlungen ein von der
Züricher Kunstgesellschaft eingeleiteter Bilder-
fälschungsprozeß zu Ende geführt worden, der
über die Grenzen der Schweiz hinaus Interesse
beanspruchen kann.

Nach der Anklageschrift wurde dem Land-
schaftsmaler Ed. Rüdisühli in Basel vorgeworfen,
er habe vier von ihm gemalte Bilder mit A. B.
oder Ä. Böcklin signiert und als Werke Böcklins
verkauft. Eines der Gemälde stellt eine Variation
des in einem Exemplar in der öffentlichen Kunst-
sammlung in Basel befindlichen „Heiligen Hains“
dar, das andere mit dem Titel „Liebesherbst“
eine solche des „Frühlingstags“ der Berliner
Nationalgalerie. Bei den beiden anderen Bildern
handelt es sidi um kleinere Gemälde nadi weniger
bekannten Vorlagen.

Die Verhandlungen, an denen sich zahlreiche
Maler und Kunstgelehrte als Zeugen und Sadi-
verständige beteiligten, ergaben interessante

Aufschlüsse über Maltechnik und Konzeption
Böcklins, wie über die Geschäftspraktiken des
Angeklagten, der die Bilder 1901/1902 von einem
spurlos verschwundenen Herrn Tobler-Lorrain
gekauft haben will. Seinen Höhepunkt erreichte
der Prozess wohl am Nachmittag des 6. April,
als Prof. H.Ä. Schmid aus Prag, der die Bilder
schon früher in einläßlichem Gutachten als
Fälschungen bezeichnet hatte, dem Gericht und
dem stattlichen Sachverständigen- und Zuhörer-
kreis durch einen Lichtbildvortrag in der Aula
des Museums darzulegen versuchte, wie weit
sich die verdächtigen Gemälde von Böcklins Art
entfernten und wie sehr sie in ihrer Faktur auf
Rüdisühli hindeuteten. Da der Vortragende
gleich zu Beginn verkünden ließ, daß er seine
Auseinandersetzungen als sein geistiges Eigen-
tum betrachte, kann hier nur kurz der Gedanken-
gang angedeutet werden.

Prof. Schmid versuchte zunächst an der soge-
nannten „Vorstudie zum heiligen Hain“ seinen In-
dizienbeweis durchzuführen. Er zeigte die Sil-
houette der Steineichen des fraglichen Bildes, ver-
glich damit die entsprechende Silhouette des echten
„Heiligen Hains“, sowie eine Naturaufnahme von
italienischen Steineichen und machte darauf auf-
merksam, daß bei Böcklin nirgends jene zimper-
liche dilettantenhafte Mache zu finden sei, die das
fragliche Gemälde ebenso wie andere Arbeiten
des Angeklagten kennzeichne. In ähnlicher Weise
wurden das Bassin des „Heiligen Hains“ und
die Silberpappelstämme des „Liebesherbst“ mit
Details echter Böcklinbilder verglichen, wobei
stets, durch die Vergrößerung der Lichtbilder
besonders augenfällig gemacht, der große Unter-
schied zwischen echten Arbeiten Böcklins und
den zweifelhaften Bildern sowie deren nahe Ver-
wandtschaft mit anderen Schöpfungen Rüdisühlis
nachgewiesen werden konnte. An Hand weiterer
Gemälde Böcklins, die zur Verdeutlichung der
Entwicklung seiner Konzeption nacheinander
vorgeführt wurden, wies Prof. Schmid nach, daß
der Meister seinen Motiven bei einer Wieder-
holung stets eine straffere und konzentriertere
Form zu geben versudit habe. Und da die
beiden echten Fassungen des „Heiligen Hains“
in Basel und Hamburg gegenüber dem verdäch-
tigen Bilde die reicheren Kompositionen seien,
so könne dieses auch deswegen unmöglich als
Vorstudie aufgefaßt werden. In einem an den
Vortrag sich anschließenden Äugensdiein im
Böcklinsaale des Museums madite Prof. Schmid
in Ergänzung seiner Ausführungen an Werken
Zünds, Kollers, Calames u. a. m. darauf auf-
merksam, daß sich jeder Künstler mit der Zeit
eine besondere diarakteristische Art, Naturgegen-
stände wiederzugeben, aneigne, die allmählich,

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