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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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9. Heft
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Trenkwald, Hermann von: Ein Tafelaufsatz von J. J. Kändler
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0295

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DERCICERONE

H ALBNIONÄF S S CHRIFT
FURrDIE-lNTERES S EN -DES

Kunstforschers & Sammlers

I. Jahrgang 9. Heft 1909

Ein Tafelaufsatz von J. J. Kandier

Von Hermann v. Trenkwald

Das Frankfurter Kunstgewerbemuseum hat eine bedeutungsvolle Erwerbung
aus dem Kunsthandel zu verzeichnen: einen Meißener Tafelaufsatz in Form eines
1,16 m hohen, 0,86 m breiten und 0,60 m tiefen Tempels. Wir bringen ihn in
Abbildung.

Auf einem barocken Unterbau mit 24 Säulen, die eine Bogenstellung von ge-
drückten Rundbogen tragen, erhebt sich eine geschweifte, durchbrochene Zierkuppel
aus 12 Voluten, darüber eine obeliskartige Bekrönung. Kartuschenhaltende Putten,
kleine Vasen und die vier Jahreszeiten, als sitzende farbige Figürchen mit Attributen
gestaltet, beleben die Architektur, um deren Formen überdies zierliches, buntes Pflanzen-
werk gelegt ist: Weinlaub um die Säulen, Blumengehänge auf dem Gebälk, Gewinde
auf den Rocaillevoluten und der Bekrönung. Das Tempelinnere schmückt eine vor-
trefflich modellierte, bemalte Gruppe, die dem Bauwerk seine Bestimmung als Liebes-
tempel verleiht: Amor und Psyche reichen sich vor einem Altar die Hände; dahinter
schwebt Juno mit dem Pfau auf Wolken. Kunstvoll fügen sich 114 Porzellan-Teilstücke
zu diesem Bauwerk zusammen, dessen heitere Grazie und farbige Wirkung durch
Vergoldung der Kanten gehoben ist. Einzelheiten, wie die Säulenbasen, Kapitälringe,
bekrönendes Figürchen und der das Gebälk zusammenhaltende Ring sind aus ver-
goldeter Bronze hergestellt.

Aufsätze mit derartig reicher Architektur und in solchen Dimensionen sind bisher
nur aus literarischen Quellen und alten Abbildungen bekannt. So verzeichnet das
Inventar der Konditorei des Grafen von Brühl außer zwei kleinen Tempeln einen sehr
großen „Ehrentempel“, welcher 1754 geliefert wurde und aus 264 Teilstücken, darunter
74 weißen Figuren, bestand. Ferner sind im Warenverzeichnis von Gottlieb Börner,
dem Inhaber des Meißener Warenlagers in Dresden aus dem Jahre 1779, drei Tempel
erwähnt. Der größte, ein „Ehrentempel“, in drei dem Verzeichnis beigegebenen, noch

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