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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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9. Heft
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Austellungen
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298

Der Cicerone

Heft 9

AUSSTELLUNGEN

DIE ACHTZEHNTE AUSSTELLUNG
DER BERLINER SEZESSION

Diese Ausstellung, mit der die Berliner Se-
zessionisten ihr zehnjähriges Jubiläum begehen,
weist ein überraschend hohes Niveau auf. Es
wird kaum anders möglich sein ihr als Ganzem
gerecht zu werden, als durch eine Art syste-
matischen Überblicks, in dem die verschiedenen
Künstler nicht nach dem Zufall, sondern nach
der inneren Zusammengehörigkeit miteinander
verbunden werden.

Der Monumentmalerei ist im wesentlichen
der Hauptsaal gewidmet. Die überragende
Leistung ist hier Ferdinand Hodlers Auszug
der Jenenser Freiwilligen zum Befreiungskriege.
Über ein Bild, das so durchaus als Wandmalerei
gedacht ist, läßt sich das letzte Wort erst sagen,
wenn man sehen wird, wie es sich in der Um-
gebung einfügt, für die es bestimmt wurde.
Die Anlage in der Form eines Doppelfrieses
erregt vorläufig gewisse Bedenken, zumal ein
Ausgleich zwischen der mehr zentral gebauten
unteren und der rein friesartigen oberen Hälfte
nicht eigentlich gefunden scheint. Prachtvoll und
von ganz unmodernerDerbheit ist alles Zeich-
nerische, vor allem der Kontur; das Bild atmet
etwas von der urwüchsigen Saftigkeit der alten
Schweizer Landsknechtdarstellungen. Die oben
dahin stampfenden Soldaten sind ihrem inneren
Habitus nach Schwyzer Reisläufer, nur dem
äußeren nach Freiwillige der Befreiungsepoche.
In einigen Gestalten der untern Reihe ist dann
wirklich der Ton jugendlichen Reckentumes ge-
funden, wie er charakteristisch ist für diese
Zeit; allerdings fehlt es auch hier im Aus-
drucke an jenem undefinierbar Intellektuellen,
Vergeistigten, das die Freiheitsbewegung trug;
in künstlerischer Beziehung vermißt man die
Zusammenfassung der Massen.

In weitem Abstand von Hodler, dem unver-
gleichlichen Zeichner des Körpers, muß eineGruppe
weiblicherÄkte von E. R. Weiß genannt werden.
Dieses Bild, das ohne die Mareesausstellung un-
gemalt geblieben wäre, hängt jetzt an etwa der
gleichen Stelle, die vor kurzem die „Hesperiden“
einnahmen. Der Vergleich ist interessant. Hat
Weiß durch ein feines, an Cezanne geschultes
helles Kolorit und malerische Durchgliederung
der Akte Reize zu gewinnen gewußt, die Marees
versagt blieben, so ist das künstlerisch Ab-
strahierte eines Vorbildes nur umso mehr ge-

steigert: Marees wußte bei aller Typik doch
noch etwas von mythologischem Gefühl in seine
Gestalten zu legen, bei Weiß sind es bloße
Modelle, allerdings meisterlich sicher gezeichnet
und arrangiert, dazu von höchstem malerischen
Empfinden.

Bei L. v. Hofmann liegt das Monumen-
tale, besser gesagt Dekorative, in der fließenden
Rhythmik der Linie, nicht im Gleichgewicht der
Flächen und Farbenwerte. Hofmann hat besse-
res geleistet, als was er heuer ausstellt, aber
die Zaubergabe des Poeten hat er eben in den
Fingerspitzen, und gegenüber den Leuten wie
Weiß, die mit dem künstlerischen Intellekt kom-
ponieren, zeichnet ihn ein unerlernbarer Instinkt
für den Äusdruckswert der Situation aus.

Darf man zu den fürs Monumentale Veran-
lagten auch Max Beckmann rechnen? Sicher-
lich besitzt er die Riesenfaust, die dazu gehört
große Leinwände zu füllen, und den faustischen
Drang auf das Große und Ungeheure. Bei
seiner großen Jugend läuft ihm begreiflicher-
weise noch viel äußerliche Effekthascherei mit
unter: das ist ungefährlich — bedenklicher aber
stimmt für die Zukunft das Äutodidaktische,
Frühreife in seiner künstlerischen Mache. Beck-
mann muß lernen mit Farbe, anstatt mit Schmutz,
zu malen und seine Kompositionen in jenem
großen Sinne aufzufassen, wie es den Riesen-
formaten zukommt. —

Akt. Eine Hauptleistung: Corinths Bath-
seba. Die Ausstellung hat wohl eine Reihe
guter Akte, aber nur diesen einen lebenswarm
empfundenen menschlichen Körper. Zorns
„Venus de la Villette“ verblaßt vollständig da-
neben. Freilich: irgend etwas mehr als einen
in provozierender Stellung gemalten weiblichen
Körper gibt Corinth nicht. Das Problem ist für
ihn damit erschöpft, daß er den warmen, sinn-
lichen Ton des Fleisches, die Struktur der Mus-
keln, die Verkürzung der Schenkel und Brüste
herausbringt. Warum die Dargestellte gerade
Bathseba heiße, was sie in dieser Stellung vor-
habe usw., erfährt man nicht. Corinth begnügt
sich damit, uns ein Stück lebenden Menschen-
fleisches auf appetitlichem weißen Laken zu
servieren und schreibt für jene, die durchaus an
Worte glauben müssen, zum Überflüsse darunter:
Bathseba!'

Was die übrigen Aktenmaler diesmal ausstel-
len, ist zum großen Teil nicht sowohl das malerei-
gewordene menschliche Fleisch als das fleisch-
gewordene Malereievangclium der beiden galli-
schen Dioskuren Cezanne und Gauguin. Das
gilt freilich weniger von dem in Paris lebenden
Eugen Spiro, dessen weltmännischer Kon-
stitution die Cezannesche Kost merkwürdig gut
 
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