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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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10. Heft
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Tietze, Hans: Bilder aus Wiener Privatbesitz: I. Tizians Mater dolorosa
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0329

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DEROCERONE

Halbmonats s chrift

FURrDIE-lNTERES S EN -DES

Kunstforschers & Sammlers

I. Jahrgang 10. Heft 1909

Bilder aus Wiener Privatbesitz

I. Tizians Mater dolorosa

Von Hans Tietze

Eine starke werkstattbildende Kraft, wie Raffael oder Rubens sie besaßen, hat
ein deutliches objektives Element der betreffenden künstlerischen Richtung zur Voraus-
setzung; erst durch jenes kann die nächste künstlerische Umgebung des Meisters aus
bloßer Einflußsphäre zu einem direkten Resonnanzboden seines Schaffens, zu jener
ungemeinen Vervielfältigung seiner Wirkung werden, wie dies gerade bei den eingangs
genannten Meistern einen so wesentlichen Zug im Gesamtbilde ausmacht. Es kann
fraglich erscheinen, ob wir bei einer so stark subjektiven künstlerischen Persönlichkeit
wie Tizian — und vollends dem alten Tizian — überhaupt in diesem Sinne von einer
Werkstatt sprechen können und doch möchte ich diesen Begriff bei einer Gruppe von
Gemälden des Meisters annehmen, deren Bestimmung als privater Devotionsbilder einer
solchen Hypothese vielleicht entgegenkommt.

Es handelt sich um Tizians Halbfiguren einer Mater dolorosa, die in verschie-
denen Varianten bekannt ist und als deren Archetypus die im Prado befindliche gilt,
die Tizian 1554 als Pendant zu seinem Ecce Homo an Karl V. schickte.1) Eine Wieder-
holung dieses Bildes, die sidi in der Sammlung Carvallo in Paris befindet, ist jüngst
mit dem Anspruch publiziert worden, eine eigenhändige Arbeit Tizians und das Original
des Madrider Bildes zu sein (Burlington-Magazine VI, 95 f.). Die höchst gequälte
Beweisführung, durch die die gute Beglaubigung des Madrider Bildes verdächtigt und
der vorgeschlagene Thronwechsel annehmbar gemacht werden soll, hätte vielleicht
einige Aussicht auf Erfolg, wenn nicht die Nebeneinanderstellung beider Bilder alles

') Die zweite Redaktion der Schmerzensmutter, gleidifalls im Prado (Klassiker der Kunst III
97) mit ihren alten Kopien in S. Zaccaria in Venedig und S. Gaetano in Padua (Crowe und
Cavalcaselle, Tizian, 589, Änm. 12) fällt aus dieser Betrachtung heraus.

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