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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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369

WIEN .. -

Zum Direktor der Wiener Modernen Galerie
wird in diesen Tagen der bisherige Kustos an
der Hofbibliothek und Leiter der Kupferstich-
sammlungen, Herr Dr. Friedrich Dörnhöffer,
offiziell ernannt werden. Dr. Dörnhöffers Name
ist nicht nur bekannt in den Kreisen der Kunst-
historiker, wo er durch seine Ärbeiten als ein
vorzüglicher Kenner der alten deutschen Kunst
hohe Anerkennung gefunden hat; er wird
ebenso als ein verständnisvoller Förderer mo-
derner graphischer Bestrebungen gerühmt.

VERMISCHTES

KUNSTGEWERBLICHE
BESTREBUNGEN UND
GRUPPIERUNGEN IN FRANKREICH

Schon seit längerer Zeit beginnt man sich
in Frankreich bewußt zu werden, daß das Kunst-
gewerbe sich in einer gewissen Stagnation be-
findet. Die Versudie der Art Nouveau-Bewegung
um 1890, die aus Belgien und England ihre An-
regungen holte, sind, man kann sagen, fast
vollständig im Sande verlaufen. Das breite
französische Publikum ist durchaus den alther-
gebrachten historischen Stilen treu geblieben,
die kunstgewerbliche Tätigkeit beschränkte sich
fast ausschließlich auf das Nachbilden alter Vor-
bilder. Diese Nachbildung des alten ist auf
dem Gebiete des Luxusmöbels wenig interessant,
wenn es sich dagegen handelt, einfache billige
und solide Möbel herzustellen, so führt diese
Routine zu einem außerordentlich peinlich
wirkenden und mit den gröbsten Material-
täuschungen arbeitenden Warenhausstil. Der
alle zwei Jahre stattfindende Salon du Mobilier
ist der sprechende Ausdruck dieser Verhält-
nisse: neben üppigen, vielfach für den Export
nach Südamerika bestimmten Kopien und Um-
bildungen der alten Stile, sieht man geschmack-
lose Vulgarisierungen einer dem schlechten
Tagesgeschmack dienenden Massenindustrie.

Eine kleine Gruppe von Künstlern nur ist in
den letzten Jahren durch ihre Kleinen Ausstel-
lungen in den Räumen des Musee des Arts
decoratifs bekannt geworden: dort waren inter-
essante Versuche zu sehen, einfache, dem Sinne
und der Struktur entsprechende Formen mit der
französischen Tradition einer liebevoll, die Ein-
zelheiten soignierenden Dekorationskunst in
Einklang zu .bringen. Doch größeren Widerhall
haben auch diese Ausstellungen bisher nicht
gefunden.

Es scheint jedoch, als ob neuerdings sich
die Aufmerksamkeit etwas mehr auf die deko-
rative Kunst richten wollte. Gründungen, wie
die der Gesellschaft für die „Kunst in der Schule“
sind ein charakteristisches Zeichen der Zeit.
Dieser Tage veröffentlichte Roger Marx, der
bekannte Kritiker und Inspecteur des Beaux-
Ärts einen Leitartikel im „Matin“, in dem er
verlangte, daß sich die offiziellen Kreise mehr
als bisher für die dekorative Kunst interessieren
sollten, damit Frankreich den Vorsprung, den
andere Nationen gewonnen hätten, wieder ein-
holen könne. Er verlangte in diesem Sinne die
Organisation einer großen internationalen Kunst-
gewerbeausstellung in Paris, auf der das fran-
zösische Kunstgewerbe sich mit dem der anderen
Völker messen könne. Da der Gedanke von
so kompetenter Seite geäußert wird, ist es nicht
unmöglich, daß derselbe ernstlich in Erwägung
gezogen werden wird. Es ist hinzuzufügen,
daß in den letzten Jahren gerade auch das
deutsche Kunstgewerbe in Frankreich vielfache
Beaditung gefunden hat: in frischer Erinnerung
ist noch der Eindruck, den die vorjährige
Münchner Ausstellung auf die Kongressisten
der „Union provinciale des Arts decoratifs“
machte, dem von ihrem Präsidenten Frantz
Jourdain in einem größeren Aufsatze in der
Grande Revue beredter Ausdruck verliehen
wurde.

Aus alledem scheint ziemlich deutlich hervor-
zugehen, daß in Frankreich eine neue Strömung
dem modernen Kunstgewerbe entgegen im Ent-
stehen begriffen ist: man wird in Deutschland
gut tun, die Weiterentwicklung dieses Gedankens
aus der Nähe zu beobachten, denn er kann
auch für uns große ideelle und wirtschaftliche
Bedeutung gewinnen.

-Rudolf Meger-Riefstahl.
 
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