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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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12. Heft
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Brosch, L.: Fra Vittore Ghislandi
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0393

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DERCICERDNE

Halbaaonats s chrift

FURDIE-lNTERES S EN -DES

Kunstforschers & Sammlers

I. Jahrgang 12. Heft 1909

Fra Vittore Ghislandi

Von L. Brosch

Wer im reizenden Bergamo häufig die Galerien besucht hat, wird vielleicht wie
idi ein ständig sich steigerndes Interesse an einem Bildnismaler genommen haben, der
wie G. B. Morone in dieser Stadt der Lombardei das Licht der Welt erblickte: Fra
Vittore Ghislandi, auch Frate Galgario genannt (geb. 4. März 1655). Trotzdem er
in einem für die Kunst wenig günstigen Zeitabschnitt gelebt hat, verdient er es seiner
wirklichen Bedeutung nach, viel stärkere Beachtung und bald eine abschließende
Würdigung großen Stiles zu finden, die der überraschenden Qualität seiner Bilder ent-
spricht. Was hier gegeben wird, sind nicht mehr als flüchtige Streiflichter, die in der
Absicht entstanden, schon heute nachdrücklich wieder den Blick auf einen beinahe ver-
gessenen großen Porträtmaler der Vergangenheit hinzulenken.

Ghislandis Vater war der Maler Domenico, der seinen Sohn Giuseppe nannte,
welchen Namen dieser später, als er in einen Mönchsorden eintrat, mit Vittore ver-
tauschte. Der junge Ghislandi kam zunächst in die Werkstatt von zwei unbedeutenden
Malern: zuerst zu Giacome Cotta, später zu Bartolomeo Bianchini, einem Florentiner,
der in Bergamo lebte. Bei letzterem verblieb er vier Jahre. Sehr früh scheint der
Sprößling, nach Tassis Aussage, sich in der Porträtkunst versucht zu haben; denn fünf-
zehnjährig, wie es bei guten Söhnen, die sich der Malerei widmen, Sitte ist, konterfeit
er bereits seinen Vater. Als Zwanzigjähriger verliebt er sich in eine schöne Berga-
maskerin, der er den Hof macht. Das führt zum Bruch zwischen Vater und Sohn
und hat die Flucht Ghislandis nach Venedig zur Folge. Unbemittelt macht er die
Fußreise bis nach Padua, wo er sich einschifft und den Brentafluß bis zur Lagune
hinabfährt. Während der Fahrt sdrließt er Bekanntschaft mit einem Mönch vom Orden
der Minimi von S. Francesco e Paolo. Dieser Frate nahm ihn in sein Kloster auf,
wo Ghislandi in voller Freiheit seinem Berufe nachgehen konnte. Hier erhielt er
später, 1675, die höheren Weihen und wurde Mönch. Nun begann er, da ihm das

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