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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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12. Heft
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Storck, Willy F.: Die St. Albanskirche bei Mainz
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0408

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Die St. Albanskirche bei Mainz

In Mainz sind im Laufe der letzten drei Jahre
bedeutsame Entdeckungen gemacht worden, die
nicht nur die Geschichte der lokalen Kirchen,
sondern die allgemeine Geschichte der Baukunst
mit wesentlichen Beiträgen bereichern. Die durch
Prof. Pützer vorgenommenen Umbauten der
Johanniskirche (ehern.Marienkirche) haben
uns Aufschluß gegeben über die alte Pfeiler-
basilika aus dem XI. Jahrhundert, der sie als
eine der größten romanischen Anlagen in
Deutschland erscheinen läßt. Die Mauern des
romanischen Mittelschiffs konnten festgestellt,
die fehlenden Teile (Querschiff, Seitenschiffe
und Apsis) in der Rekonstruktion ergänzt werden.
Über sie wird Prof. R. Kautzsch in dem in den
nächsten Wochen erscheinenden IV. Bande der
„Mainzer Zeitschrift“ ausführliche und wissen-
schaftlich höchst inseressierende Mitteilungen
geben. — Ebendort werden auch die Resultate
der seit zwei Jahren betriebenen Ausgrabungen
auf dem Gebiet der ehern. St. Älbanskirche
veröffentlicht werden. Dieselben konnten dank
der durch den Mainzer Ältertumsverein unter
städtischem Zuschüsse gewährten Mittel intensiv
bewerkstelligt werden. Die Leitung der Aus-
grabungen lag zunächst in Händen von Mu-
seumsdirektor Prof. Lindenschmit; nach dessen
Erkrankung übernahm sie im Jahre 1907 Prof.
Ernst Neeb in Mainz, der bereits im Vor-
jahre im III. Jahrgang obenerwähnter Zeitschrift
beachtenswerte Beiträge zur Baugeschichte der
Kirche gegeben hat. Ihm gebührt allgemeine
Anerkennung für seine unermüdliche und wis-
senschaftlich wie praktisch gleich sorgfältige
Tätigkeit.

Kirche und Kloster St. Alban — auf einer
Anhöhe gleich außerhalb der Stadt nach Weisenau
zu gelegen — war im frühen Mittelalter geistiger
und kultureller Mittelpunkt am Mittelrhein. Es
nahm für diese Gegenden die Stellung ein, die
St. Gallen für die Bodenseegegenden innehatte.
Aus den mannigfachen literarischen Äußerungen
hatten wir seine Bedeutung längst erschließen
können! Hier lebte und wirkte RabanusMaurus
an der Klosterschule, hier fanden die ersten
Erzbischöfe und kaiserlichen Familienmitglieder
ihre letzte Ruhestätte (794 Fastrada, Karls d. Gr.
Gemahlin, 957 Liudolf, Ottos I. Sohn und Liut-
gard, seine Tochter usw.), hier tagte manch
glänzende Hof- und Kirchenversammlung. Ärchi-
valische Quellen und Annalen lassen uns den

Entwicklungsgang rekonstruieren. Hier die
Hauptdaten:

805 Einweihung, 858 bereits z. T. zerstört,
ca. 1100 Anbauten, 1114 Erneuerung des Chors,
1329 Kloster zerstört, 1494 Wiederherstellung
des Hauptchores, 1552 allgemeine Zerstörung
durch Älbrecht Achilles von Brandenburg, 1603
Wiederherstellung von Chorresten, 1632—1660
verschwinden die letzten Trümmer von St. Alban
spurlos vom Erdboden. — Soweit das Histo-
rische.

Die Ergebnisse der Ausgrabungen verdienen
kunsthistorische Beachtung. Schon die
mannigfachen frühchristlichen Grabsteine —
St. Alban war bereits in römischer Zeit Be-
gräbnisstätte — bieten interessante Belege zur
altchristlichen Ornamentik und Epigraphik.

Für die bauliche Rekonstruktion kommen
einige auch kunstgeschichtlich wichtige Blätter
in Betracht, die Prof. Neeb a. a. O. abbildet und
verwertet. Ich erwähne: Merians Kupferstiche
1633 und 1637, Wenzel Hollars Stich ca. 1634,
sowie ein mittelrheinisch-fränkisches Ältarwerk
(ca. 1500) in Kirchbrombach i. O. (Martyrium des
hl. Alban, Theonest und Aureus).

Durch Kombination dieser, sowie der litera-
rischen Quellen mit den Ergebnissen der Fun-
damentgrabungen ließ sich die bauliche Ent-
wicklungsgeschichte rekonstruieren.

Aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir in
einem Mauerzug, der quer durch die Apsis der
karolingischen Basilika geht, die Reste einer
vorkarolin gischen Anlage zu erkennen, über
deren Charakter Bestimmtes sich bislang noch
nicht sagen läßt. Um so mehr vermögen wir
uns eine Vorstellung zu machen von der karo-
lingischen Basilika, die 787—805 unter Erz-
bischof Richulf errichtet wurde, eine Arbeit der
Benediktiner. Die Orientierung ist direkt nach NO.
Der Bau hatte auf der Ostseite eine halbkreis-
förmigeÄpsis mit etwas verlängerten, gestreckten
Schenkeln (vgl. St. Gallen!). Die Maße sind
überraschende: Die Länge des Mittelschiffs

konnte noch nicht festgestellt werden. Die
Breite betrug 12,4 m, die der Seitenschiffe 6,2 m,
Maße, die mit denen vomSt.Gallener Plan
(ca.820) fast wörtlich übereinstimmen. Die
Breite des Mittelschiffes des Mainzer Domes
beträgt, beiläufig gesagt, 13,60 m.

Die Frage, ob wir es hier mit einer Pfeiler-
oder Säulenbasilika zu tun haben, steht noch
 
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