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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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12. Heft
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Heft 12

Sammlungen

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les Jaque, Henner, Detaille und Benjamin
Constant. Dazu eine Anzahl Skulpturen in
Marmor und Bronze, eine Gruppe Goldschmiede-
arbeiten, darunter mehrere berühmte Stücke, und
endlich eine Serie wertvoller alter Tapisserien.

Es erhebt sich die Frage, wo diese Werke
aufgestellt werden sollen. Im Louvre selber ist
kein Platz mehr vorhanden, und es treten nun
all die alten Projekte vom Umzuge des Kolo-
nialministeriums oder von einer Umquartierung
des Marineminsteriums wieder auf. Die Ver-
wirklichung des einen Projekts ist bisher an
dem Mangel an Krediten gescheitert, die des
anderen am Widerstande der Marinefreunde.
Chauchard hat jetzt einen Betrag von zwei
Millionen zur Installierung der von ihm ver-
machten Kunstwerke ausgeworfen. Hoffentlich
wird diese Summe genügen, um das Louvre
endlich von der ewig durch das Kolonialmini-
sterium drohenden Feuersgefahr zu befreien.

R. Meyer-Riefstahl.

S

LONDON -

Daß Holbeins Porträt der Herzogin von Mai-
land (Christina von Dänemark) noch in elfter
Stunde durch die Genorisität eines Mäcen der
National Gallery erhalten worden ist, wurde
in letzter Nummer noch gemeldet. Seitdem ist
mancherlei Wunderliches geschehen, Wunder-
liches sogar für solche, die seit Jahren in Eng-
land wohnen und den Ton und die Verkehrsart
kennen und zu „schätzen“ wissen, dessen sich
so manche der weit berühmten Kunstauktions-
firmen zu bedienen pflegen, wohl noch als ein
nicht abzulegendes Erbe früherer Zeiten, in
denen die Gründer dieser Firmen vom Wesen
und der Ärt des „english gentleman“ nichts
wußten und ja auch nichts wissen konnten.
Man höre und staune, Messrs. Colnaghi & Co.,
die Käufer und Verkäufer des Bildes, entwickeln
den seltsamen Geschmack in der konservativen
„Morning Post“ den liberalen Londoner Blättern
die Leviten zu lesen, weil diese die ungeheuere
Kühnheit besessen hatten, das Verdienst dieser
Herren (9000 Pfund etwa!) bei dem seltsamen
An- und Verkauf des Holbeinbildes als zu hoch
zu bezeichnen. Ja sie gehen sogar so weit, die
jetzige liberale Regierung auf eine schäbige und
zugleich höhnisch-zynische Weise anzugreifen,
als sei sie mit ihrem neuen Budget und der
darin enthaltenen „romantischen nationalökono-
mischen Theorie“ Schuld daran, daß Kunst-
schätze England verließen! Und sie prophezeien
England den Ruin dieser Industrie, seiner Agri-
kultur und—seiner Kunstsammlungen! Messrs.

Colnaghi mögen ganz tüchtige Kunstkenner sein
(gute Geschäftsleute für ihre eigne Tasche sind
sie ja sicher, denn das beweist ihr Riesen-
gewinn an diesem Kauf), sie sollten aber doch
wohl unterlassen, die hohe Politik mit dem
Kunsthandel zu verquicken. Sie mögen noch
so stockkonservativ in ihrem Busen sein, das
ist ihre Privatsache; aber sie könnten das wohl
besser für sich behalten, statt andere zu ennuy-
ieren oder gar zu beleidigen. Ihr Benehmen
aber ist bezeichnend dafür, wie diese Herren
alle die behandeln, von denen sie keine Schädi-
gung ihrer Interessen befürchten. Sie kalkulieren
etwa so: „Die liberalen und radikalen Blätter
werden von Leuten gelesen, die als Käufer für
uns nicht in Betracht kommen, folglich können
wir sie so miserabel behandeln, wie wir nur
wollen.“ Und das ist bezeichnenderweise über-
haupt ihr Grundsatz im Verkehr mit anderen!
Wenn sich die Herren in ihrer Kurzsichtigkeit
nur nicht verrechnen! Die liberale radikale Re-
gierung, die gerade im neuen Finanzgesetz, daß
Messrs. Colnaghi in ihrer absoluten politischen Un-
kenntnis als schuldig aus bevorstehendem Verlust
von Kunstwerken bezeichnen, Kunstgegenstände
von der sogenannten „deathduty“ ausschließen
will, um deren Verkauf möglichst zu verhindern
und die Kunstwerke im Lande zu halten, sie wird
Messrs. Colnaghi und Konsorten hoffentlich bald
noch eine kräftige Steuer auf derartig leicht
verdiente, auf Kosten des Landes eingesteckte
Profite auferlegen, die dann, wie vorgeschlagen,
zum Ankauf von Kunstwerken für die Staats-
sammlungen verwendet werden könnte. Dann
werden diese Herren vielleicht einsehen, daß die
Ärt ihres Benehmens doch nicht ganz die rich-
tige gewesen, aber dann wird es zu spät sein.
Diese Herren Kunsthändler glauben die ganze
Nation verachten, ja in ihrer Regierung schul-
meistern und verspotten zu dürfen, weil sie
meinen, sie hätten nur vor den paar Reichen
den steifen Rücken zu beugen. Die Nation wird
ihnen hoffentlich die richtige Antwort nicht schul-
dig bleiben. — Auf den unliebsamen Handel im
übrigen hier noch näher einzugehen, dürfte nicht
nötig sein. Schmutzige Wäsche angesichts des
Auslandes zu waschen, ist keine angenehme
Aufgabe. Die Hauptsache ist, daß das Bild der
Gallery erhalten bleibt, und daß dieser peinliche
Fall hoffentlich den Anstoß zu Vorkehrungen
abgeben wird, so daß derartiges in Zukunft
sich nicht wieder ereignen kann.

Das neue Victoria and Albert (South Ken-
sington) Museum ist am 26. Juni feierlich er-
öffnet worden. — Gegen die beschlossene Auf-
 
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