Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

DOI Heft:
14. Heft
DOI Artikel:
Schloß Horst bei Essen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0466

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schloß Horst bei Essen

Ehemals war Schloß Horst eines der be-
deutendsten Renaissancewerke des nordwest-
lichen Deutschland. Zwar von der Kunstforschung
bisher fast unbeachtet — Robert Dohme hatte
in seiner „Deutschen Baugeschichte“ zuerst da-
rauf hingewiesen — ist es jetzt dem Bonner
Kunsthistoriker Dr. Klapheck gelungen, 23 Zeich-
nungen und Pläne in der Bibliothek des
deutschen Kaisers aufzufinden, die von der
Größe, von dem Reichtum und der künstlerischen
Feinheit des alten Renaissanceschlosses eine
klare Vorstellung geben. Ebenso wichtig wie
dieser Fund ist vielleicht die Tatsache, daß über
die Künstler, die an dem Schlosse gearbeitet
haben, Bestimmtes zu ermitteln war. Denn in
dem Freiherrlich von Fürstenbergschen Ärchiv
zu Borbeck sind die alten Kontrakte zwischen
dem Bauherrn und den Künstlern noch auf-
bewahrt. Äus ihnen geht hervor, daß vier von
den dort genannten Bildhauern aus Kalkar
stammen. Einer von ihnen ist Wilhelm Wer-
nickel, der Erbauer der Kölner Rathausvorhalle.

Dadurch wird die künstlerische Bedeutung
der Kalkarer Schule in ein neues Licht gerückt.
Bisher glaubte man, ihre Lebensfähigkeit sei
mit der Spätgotik zu Ende gegangen. Heute
sieht man, daß in der Renaissance eine zweite
Blüteperiode herangereift war von solcher Be-
deutung, daß Kalkarer Meister selbst nach Köln
berufen wurden, um an dem wichtigsten Bau-
werke der Stadt, an dem Rauthause mitzu-
wirken, daß Kalkarer Künstler als befähigt
anerkannt wurde, das schönste Schloß auf west-
fälischem Boden erstehen zu lassen.

fluch für die Kölner Renaissanceplastik er-
öffnen sich damit neue Perspektiven, die einer
genaueren Untersuchung noch bedürfen. Eine
nmfangreiche Sammlung von Renaissance-
plastiken, die zwar bisher nicht ausgestellt
war, birgt das Kölner Kunstgewerbemuseum.
Konsolen, Einfassungen von Türen, Kaminen,
Kaminplatten, Friese und Giebelfüllungen be-
weisen, daß eine reiche künstlerische Tätigkeit
in Köln bestand. Wie kommt es nun, daß, ob-
gleich kölnische Bildhauer vorhanden, ein fremder
Meister nach Köln gezogen wurde? Oder ist
etwa das umgekehrte der Fall, daß erst durch

die Tätigkeit Wilhelm Wernickels die Kölnische
Bildhauerschule begründet wurde?

Hierüber werden stilistische Vergleiche und
archivale Forschung wohl bald Aufschluß geben,
fln Vergleichsobjekten fehlt es ja keineswegs.

Denn Schloß Horst besitzt in den Überresten
des plastischen Schmuckes der Fassade und der
Innenräume die bedeutendsten Werke der
Kalkarer Schule. Von den sieben Kaminen des
Schlosses sind noch zwei in Horst, vier der
Kamine befinden sich auf Schloß Hugenpoet bei
Kettwig und einer auf Burg Rheinstein.

Die Marmorverkleidung, die gußeisernen
Platten, die eisernen Gestelle sind von un-
gewöhnlich großen Verhältnissen. Der Relief-
schmuck verrät die übliche Erzählungsweise
romanistischer Renaissancekünstler. Auf den
gußeisernen Platten die Darstellung der Passion,
die im XVI. Jahrhundert so beliebte Scene von
Judith und Holofernes, dann ein Schlachten-
bild, der Sieg Konstantins des Großen über
Maxentus, ein Triumphwagen, ein römischer
Zirkus, ein Amphitheater. Der zweite Kamin
ist noch an der Wand der Schloßküche auf-
gebaut vollständig erhalten. Der Stil der Reliefs
ist hier besonders charakteristisch. Es sind die
breiten, etwas schwülstigen Formen der nieder-
ländischen Romanisten aus der Zeit um 1560.

Von der reichen Ausstattung der dekorativen
Einfassung der Türen geben eine ganze Anzahl
reliefierter Ornamentfriese, Karyatiden, Tür-
stürze und Platten, die als Füllungen an den
Seiten der Türöffnungen dienten, einen klaren
Begriff: Vor allem ist dabei das feine Ver-
ständnis für die dekorative Ausnutzung des
Raumes innerhalb der einzelnen Kompositionen
zu bewundern. Wie die humorvoll aufgefaßten
Formen von Tier- und Menschenfiguren in die
Kartuschen eingeschlossen sind, zeigt von hoher
Kraft der Raumdisposition auf kleinen und
kleinsten Flächen.

Daß dieses bisher gänzlich unbekannte Ma-
terial der Renaissanceplastik der Kunstwissen-
schaft zugänglich gemacht wurde, ist das Ver-
dienst Dr. Klaphecks, von dem wahrscheinlich
in nächster Zeit eine genauere Untersuchung zu
erwarten ist. G. E. L.
 
Annotationen