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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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14. Heft
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Der Cicerone

Heft 14

464

VERMISCHTES

MAX KLINGERS LEIPZIGER
UNIVERSITÄTSBILD

Das große Wandgemälde, dasMaxKlinger
zum 500. Jubiläum der Universität Leipzig für
deren Äula ausgeführt hat, ist in diesen Tagen
ohne besonderen Festakt zugänglich geworden.
Das monumentale Bild, an dem der Künstler
im Laufe von drei Jahren arbeitete, zerfällt in
drei Teile. Zur linken lauscht eine Gruppe von
Jünglingen dem begeisterten Lied, das Homer
vorträgt, die Arme emphatisch ausgebreitet
gegen die aus dem Meere aufgetauchte Göttin
der Schönheit, in der Mitte schreiten zwei Phi-
losophen, Platon und Aristoteles, in ernstem
Gespräche einher, zur Rechten stürmt, von Ama-
zonen begleitet, König Alexander herein, um
den Lorbeer jenen zu Füßen zu legen. Die
Weltherrschaft der Waffen zollt ihren ehrfurchts-
vollen Tribut der Weltherrschaft des Geistes.
Im Grunde spiegeln anmutige Frauen ihre
hoheitsvollen Bewegungen in der klaren Quelle,
der Zeichner zur Seite folgt ernsthaft mit dem
Stift ihrem Rhythmus. Dichtkunst und Philo-
sophie, Malerei und Schlachtenglück vereinigt
die Komposition in einer wundervollen licht-
übergoldeten griechischen Landschaft, zu welcher
der Golf von Syra mit dem Vorgebirge Sym-
machos das gegebene Vorbild gewesen ist.

So erscheint das neueste Werk von Max
Klinger bedeutungsvoll vor allem durch seinen
edlen dichterischen Gehalt, der uns des Meisters
innerstes Wesen, seine Sehnsucht nach dem
Lande der Griechen, seinen hohen Glauben an
die Erhabenheit der griechischen Kultur ver-
stehen lehrt. Dieses gewichtige Zeugnis für
die Unentbehrlichkeit des klassischen Ideals,
abgelegt in der Aula.einer Universität, erhebt
sich zum schönsten Mahnwort an die deutsche
akademische Jugend.

London.' Der Holbeinfall läßt die Gemüter hier
noch immer nicht zur Ruhe kommen, namentlich
wohl, weil man fühlt, daß sich leicht wieder etwas
ähnliches ereignen könnte, und daß dafür augen-
blicklich keinerlei Vorsorge getroffen sei. Aus
diesem Gefühl heraus hat nun auch der König
selber seine Stimme in der hier gebotenen vor-
sichtigen Weise erhoben und dem National Art
Collections Fund, dem ja die Erhaltung des
Holbeinbildes gewissermaßen zu verdanken ist —

nicht seinen nicht vorhandenen Geldern, wohl
aber seinem energischen Eintreten und Be-
schaffen der nötigen Summe — einen Beitrag
von 100 gs. geschickt, die mit anderen erhofften
Gaben einen wirklichen Fond für plötzlich ein-
tretende Notwendigkeiten bilden sollen. Wer
aber wird dazu beisteuern? Noch sind 4000 £
für den Holbein zu zahlen. Sind die abgezahlt,
werden die Taschen des Fonds wieder leer sein,
und das alte Spiel dürfte von neuem beginnen
trotz allen Geredes. Aus der veröffentlichten
Subskriptionsliste für das Holbeinbild sieht man
nur zu deutlich, daß „die Nation“, von der
immer die Rede ist, der Sache kühl bis ans
Herz hinan gegenübersteht. Ganze 60 £ hat sie
(abgesehen von den 10 000 £ der vielgeläster-
ten Regierung) aufgebracht, die von 102 sicher-
lich wenig begüterten Kunstfreunden stammen.
Die übrige Summe haben fast nur einige wenige
reiche Herren hergegeben, im ganzen 57. Unter
ihnen befinden sich freilich einige, denen es ein
Opfer gekostet haben muß, ca. 500 Mk. preis-
zugeben, um anderer Taschen zu füllen. Ihre
Beiträge wie die kleinen Scherflein der Armen
machen aus, was an Opferfreudigkeit im heu-
tigen englischen Volk für große Kunst zu finden
ist. Mr. Claude Phillips liest ihnen ja gehörig
den Text im „Daily Telegraph“, ob’s aber was
nützen wird? Er hat in diesem Blatte eine
Serie interessanter Artikel begonnen, in denen
er von einigen jetzt noch in englischem Besitz
befindlichen Kunstwerken handeln will, deren
etwaigen Verlust er „unersetzlich“ nennt. Von
dem einen, über das er spricht, Rembrandts be-
rühmter Landschaft „Die Mühle“, oder wie sie
Bode nennt „Landschaft mit der Windmühle“
in der Bowoodkollektion des Marguis von
Lansdowne hieß es hier schon ganz bestimmt,
sie sei — unter Mitwirkung Bodes — für fast
£ 100000 an einen Amerikaner verkauft worden.
Tagelang hielt sich das Gerücht, wurde aber
doch schließlich als solches gekennzeichnet.
Zunächst dürfte das Bild wohl außer Gefahr
sein. Für die Zukunft kann niemand stehen.
Lord Lansdowne hat freilich als Trustee der
National Gallery eine Art moralische Verpflich-
tung, gerade diesen Schatz seiner Samm-
lung nicht außer Landes zu verkaufen, selbst
wenn er selber sich von ihm zu trennen ent-
schließen könnte. Vielleicht war das Gerücht
mit Absicht als Schreckschuß verbreitet worden.
Es dürfte aber kaum die gewollte Wirkung
haben, dem Fund mehr Gaben zuzuführen.
Voraussicht ist gerade keine englische National-
tugend. F.
 
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