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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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16. Heft
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[Kleine Nachrichten]
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0545

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Kleine Nachrichten

525

DER FÄLL CRÄNENBURG UND DIE
BEDROHTEN KIRCHENSCHÄTZE

Zu dem Äufsatz in Nr. 14 des Cicerone
über „Paris und London unter dem Gestirn
der amerikanischen Kaufwut“ erhalten wir als
Ergänzung folgende Notiz:

Die Firma Reinhardt & Sons in Chicago und
Milwaukee hat kürzlich in Paris am Place Ven-
döme eine Filiale erriditet und bereits für ihre
amerikanische Kundschaft ein großes Galeriebild
von Corot, eine große Landschaft von Con-
stable, die letzte, die der Meister am Tage vor
seinem Tode gemalt hat, gekauft; ferner un-
gefähr ein Dutzend anderer Bilder von Corot,
Rousseau, Daubigny, Trogon und Decamps. —
Die herrlichen Sammlungen des verstorbenen
Vicomte de Barente drohen ebenfalls nach
Amerika en bloc verkauft zu werden.

* *

*

Im Anschluß an den eben genannten Artikel
von Geheimrat Bode veröffentlicht audi die
„Voss. Ztg.“ folgende Mitteilung:

Von Köln wird uns geschrieben, daß nach
dem Erfolge in Cranenburg ein systematisches
Kesseltreiben auf die Schätze der Kirchen an
kleineren Orten der Rheinprovinz in vollem
Gange ist. Die internationalen Händler, die
von Frankfurt aus dirigiert zu werden scheinen,
folgen dem Vorbild des von Geheimrat Bode
sehr treffend gekennzeichneten „Grafen“ Pollak,
indem sie sich Zugang zu den Geistlichen unter
falschen Titeln verschaffen. Not leiden ja die
fraglichen Kirchen meistens, und die Geistlichen
haben bereditigte und unberechtigte Wünsche
nadi baulichen Änderungen und Besserungen,
schönen neuen Paramenten u. dgl. Da sind sie
nur zu bereit, auf lockende, anscheinend hohe
Angebote einzugehen, zumal sie von dem
künstlerischen Wert ihrer Schätze meist keine
Ahnung haben. Es sind bereits wieder ver-
schiedene Gesuche um Genehmigung des Ver-
kaufs wertvoller alter Kirchengeräte der geist-
lichen Behörde in Köln unterbreitet, ja diese
soll zum Teil schon gegeben sein. Wenn der
Pfarrer dann, ohne bei der Regierung anzu-
fragen oder ohne sich um das Verbot des
Provirteionalkonversators zu kümmern, das
oder die fraglichen Stücke verkauft, so sind
diese leider unwiederbringlich verloren, und
der Geistliche wird nidrt einmal bestraft. Denn
eine Strafe kann nur seine Vorgesetzte geist-
liche Behörde verhängen; ist diese gleichfalls

nicht befragt worden, so erhält der Delinquent
im schlimmsten Falle einen Verweis oder wird
nach einem Fußfall vor dem Herrn Erzbischof
wieder zu Gnaden angenommen. In maßgeben-
den Kreisen ist man sich der Größe der Ge-
fahr vollständig bewußt; infolge des Cranen-
burger Unfugs sind daher, wie uns versichert
wird, Beratungen innerhalb der Behörden und
einiger Kunstfreunde des Rheinlandes über
einen wirkungsvollen, schleunigen Schutz der
Kirchenschätze im Gange. Von dem neuen
Kultusminister, der 'während seiner Amtszeit
in Koblenz wie in Kassel warmes Interesse
auch nach dieser Richtung bewiesen hat, darf
erwartet werden, daß er mehr und energi-
scher, als es bisher von Berlin aus ge-
schehen ist, für den Schutz der Kunstdenkmäler
besorgt sein wird und den Vorsdilägen, die
man ihm vom Rhein aus unterbreiten will, zu
schleuniger Durchführung verhelfen wird. Dies
ist um so notwendiger, als ja die trefflichen In-
ventare unserer Kunstdenkmäler der Rhein-
provinz und die dankenswerten großen Aus-
stellungen der Kunstschätze unserer Provinz in
den letzten Jahren den Händlern den besten
Wegweiser abgeben, was und wo sie zu
suchen haben.

Von Geheimrat Bode selbst erhalten wir
nachstehenden Brief:

Mein in dem Aufsatz über „Paris und Lon-
don unter dem Gestirn der amerikanischen
Kaufwut“ in ihrer Zeitschrift ausgesprochener
Protest gegen den Verkauf unserer deutschen
Kirchenschätze ins Ausland ist, wie ich sehe,
in Deutschland wie in ausländischen, namentlich
amerikanischen Zeitungen falsch aufgefaßt wor-
den. Idi habe nicht daran gedacht, jetzt ein Aus-
fuhrverbot von Kunstwerken aus Deutschland
oder gar ein Verbot des Verkaufs nach Amerika
zu fordern. Ich habe nur verlangt, daß der
öffentliche Besitz an Kunstwerken in Deutsch-
land, dessen Veräußerung ja stets verboten
war, geschützt werden müsse, und daß, wenn
für die heimliche oder unerlaubte Verschleude-
rung keine wirkungsvollen Strafen durch das
Gesetz vorgesehen sind, dies schleunigst nach-
geholt werden muß. Die Zustände, die der
Verkauf der Cranenburger Elfenbeine am Rhein
gezeitigt hat, und die Unverfrorenheit der Auf-
käufer bedrohen den herrlichen Besitz an
Sdiätzen altdeutscher Kunst in den rheinischen
Kirdien in der schlimmsten Weise und ver-
langen daher sofortige Abhilfe.
 
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