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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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17. Heft
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Bode, Wilhelm von: Die Madonna mit der Wickenblüte
DOI Artikel:
Kühnel, Ernst: Kunsthistoriker und Verleger, [2]: Emil Schaeffers Vorschlag und der Fall "Original und Reproduktion"
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0565

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Kunsthistoriker und Verleger

541

Italien sich selten bei primitiven Imitationen über
ein Köpfchen oder ein kleines Madonnenbild, bei
späteren Motiven über eine kleine Landschaft
oder ein Brustbild hinaus wagen, daß sie für
solche Fälschungen alte Bildtafeln mit alter
Malerei, altem Goldgrund und alten Rahmen
benutzen, und daß man trotzdem, wenn man
erst ein paar dieser Fälschungen sich genau
angesehen hat, sie schon von weitem erkennt.
Freilich mit der Aufdeckung solcher unbedeuten-

den Imitationen kann man wenig Aufsehen
erregen; unsere skandalsüchtige, nach pikanten
Neuigkeiten dürstende Zeit verlangt kräftigere
Nahrung. Leider hat sie auch die Forschung an-
gesteckt. Im Niederreißen ist diese heute stärker
als im Aufbauen; im billigen Verdächtigen zeigt
man sein Wissen und steht vor dem Publikum
als großer Mann, als Retter von Moral und
Wissenschaftlichkeit da! Wilhelm Bode.

Kunsthistoriker und Verleger

Emil Schaeffers Vorschlag und der Fall „Original und Reproduktion“

In der letzten Nummer des „Cicerone“ ist
Emil Schaeffer für die Gründung eines „Kartells
der Kunsthistoriker“ zur Wahrung der zünftigen
Interessen gegenüber den Geschäftsspekulationen
gewisser Verleger und der Kurzsichtigkeit ge-
wisser Feuilletonredakteure eingetreten. Er ver-
sucht damit, wenn ich nicht irre, ein Übel zu
bekämpfen, über dessen Existenz wir uns wohl
alle einige sind, das wir aber statt in seinen
Folgen lieber gleich in seinen Ursachen angreifen
sollten. Und wenn wir diesen nachgehen, werden
wir, meine ich, den Verlegern viel weniger
Schuld geben dürfen, als uns selbst.

Um das Beispiel der „Klassiker der Kunst“
aufzugreifen, so lag es doch wohl nur bei den
ersten Autoren, von der Verlagsanstalt die
Nennung ihres Namens an evidenter Stelle zu
verlangen; wenn das nicht geschah, so kam
das sicherlich daher, daß die betreffenden Ver-
fasser bescheiden genug waren, einen solchen
Band nicht zu ihren wissenschaftlichen Werken
zu rechnen, bezw. ihn überhaupt als ein bloßes
Geschäft zu betrachten. Da der Name eines
Fachmannes einem derartigen Unternehmen nur
eine erwünschte Reklame sein kann, so wüßte
ich nicht, weshalb so gewiegte Geschäftsleute
wie die Herren von der Deutschen Verlags-
Anstalt die Eitelkeit ihrer Autoren so geflissent-
lich sollten verletzen wollen. Wenn aber in
diesem Falle der eine oder andre Kunstgelehrte
einen Kompromiß zwischen seinem Selbstbewußt-
em und seinem Geldbeutel wirklich geschlossen
hat, so sollte er, meine ich, resigniert den roten,
goldbedruckten Buchdeckel als eine fremde Tat
gelten lassen. Er wird dieses sein geistiges
Kind ja ohnehin nur als unehelich betrachten
dürfen, und um die Anerkennung derartiger

Sprößlinge vor aller Welt pflegt sich doch sonst
kein ehrlicher Vater zu reißen.

Ich glaube im Gegenteil, daß von den Ver-
legern viel eher mit einer ungebührlichenNennung
von Fachgenossen als mit dem Verschweigen
ihrer Namen spekuliert wird. Ich habe vor mir
das zweite Heft von „Original und Repro-
duktion“, einer Zeitschrift mit einem ebenso
verderblichen wie konfusen Programm, die von
einem ebenso unbekannten wie unternehmungs-
lustigen Herrn Hans Loose herausgegeben wird.
Wenn dieser Mann Geist gehabt hätte, so wäre
er auf den sicherlich viel fruchtbareren Gedanken
gekommen, einen kunsthistorischen Simplizissi-
mus zu schaffen. Dann hätte man ihn wenigstens
nicht ernst zu nehmen brauchen, und doch hätte
ihn jeder mit Vergnügen gelesen. So aber
bietet er uns ein jämmerliches Gemisch von
Byzantinismus und denaturierterKunstbiographie.
Wir müssen uns u. a. eine vollständige Liste
sämtlicher auf der Dresdener photographi-
schen (!) Ausstellung sichtbaren Bildnisse „deut-
scher und ausländischer Staatsoberhäupter“, mit
Hinzufügung ihrer in anderen Kreisen gemein-
hin bekannten hohen Titel und Würden, ge-
fallen lassen. Hugo v. Tschudi hat Gelegenheit,
alle Paradiesesfreuden eines Nekrologes schon
bei Lebzeiten zu genießen; denn Dr. Kaesbach
hat sich sogar der Mühe unterzogen, seine sämt-
lichen Schriften „nach dem Erscheinungsjahr
geordnet“ zusammenzustellen. Sollte man wirk-
lich in Berlin so weit gehen, einen nach München
„verschiedenen“ Galeriedirektor eo ipso unter
die Toten zu rechnen? Hoffentlich führt Herr
Hans Loose, wenn die gnädigen Götter seiner
Zeitschrift noch eine kleine Daseinsfrist ver-
gönnen, nun auch für uns unberühmte Kunst-
 
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