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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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21. Heft
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Bevorstehende Auktionen
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Der Cicerone

Heft 21

essanten Stücken, aber auch an Rara und Curiosa;
ja selbst an Unica. Äls Rara z. B. sind manche
Helme, mehrere Schwerter, Degen und Dolche,
als Preziosa herrlich gearbeitete Gewehre, z. B.
ein Rokoko-Damenjagdgewehr von seltenster
Schönheit, als Curiosa die Spottmaske, Gesichts-
helm, für bestimmte Kirchenstrafen, verschiedene
Stangen- und Insurgentenwaffen bizarrer Form,
eine alte Huchengabel u. a. m. zu bezeichnen.
Unica darf man einige Keltenpanzerhemden von
feinster Vernietung und bester Erhaltung nennen,
vor allem das feine orientalische Stück, das die
Marken der Rüstkammer Mohammeds II. des
Großen zuweisen. Kostbarkeiten allerersten
Ranges sind die in Gold und Seide gestrickten
Ritterjacken, in den Dichtungen des Mittelalters
oft erwähnte, in Originalen aber naturgemäß
eminent seltene Kleidungsstücke (siehe Äbb.).
Der Illustrationsapparat des Katalogs gibt eine
hinreichende Vorstellung von dem Werte der
Sammlung. Im Anschluß an diese präch-
tige Rüstkammer kommt der dritte Teil des-
selben Kunstbesitzes zur Versteigerung, eine
minder anspruchsvolle, aber nicht minder inter-
essante Sammlung: Älte Familien- und Reprä-
sentationsbilder, Herren und Damen meist des
deutschen Mittelstandes des XVI.—XVIII. Jahr-
hunderts, natürlich sämtlich in Gala in der Amts-
robe, im Sonntagsstaat, im Kirchengewand. Das
Kostümbild dominiert also, und hier liegt auch
das Interesse der Sammlung. Es sind Kostüme,
die die Kostümgeschichten bisher fast nie be-
rücksichtigt haben, Kostüme der kleinen bürger-
lichen Welt, die so gern ä Ia mode sein wollen,
dabei die Mode doch nur aus zweiter Hand,
antiquiert und korrumpiert empfangen. Speziell
zur Geschichte der Spitze, der Kröse, des Kopf-
putzes (Perrücke, Zopf, Haube usw.), des Leib-
chens usw. bietet die Sammlung sehr reiches
Material. —h.

s

PARIS -

Im August und September fanden keine
Auktionen von Bedeutung in Paris statt. Auch
der Oktober gehört fast noch in die tote Saison.
Gegen Ende Oktober wurden eine Reihe Ta-
pisserien im Hotel Drouot versteigert von mitt-
lerer Qualiät. Der englische Sammler Fritz Henry
wird am 14. Dezember d. J. seine Sammlung
alten Porzellans von 400 Nummern im Hotel
Drouot versteigern lassen. Die Sammlungen
des verstorbenen Malers Jacquet werden Ende
November ebendort versteigert werden. Für
Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres er-
wartet man auch in Paris die Versteigerung der

berühmten Sammlung des Baron Schickler, der
kürzlich in Paris starb. Der Baron hatte in
seinem Hotel am Place deVendöme eine pracht-
volle Sammlung von Kleinkunst und Bronzen
des XV. und XVI. Jahrhunderts zusammen-
getragen; darunter Emaillen, Möbel und Skulp-
turen. Ferner besaß Baron Schickler wertvolle
Bilder aus dem XV. bis zum XVIII. Jahrhundert.
Noch ist das Schicksal dieser Sammlung nicht
entschieden. Aber man erwartet allgemein, daß
sie in nächster Zeit versteigert werden wird.

G.

s

WIEN —

In der Zeit vom 2.—4. Dezember findet bei
Gilhofer & Ranschburg in Wien die Ver-
steigerung einer graphischen Sammlung aus
fürstlichem Besitze statt, über die ein eben er-
schienener Katalog, der durch 32 Abbildungen
illustriert ist, Näheres berichtet. Derselbe um-
faßt nahezu 800 Nummern, die meistens allge-
meines Interesse verdienen. Wir nennen eine
wertvolle Sammlung von englischen und fran-
zösischen Kupferstichen des XVIII. Jahrhunderts,
dann eine Abteilung seltener Porträts, denen
sich historische Blätter und farbige Städte-
ansichten und besonders Viennensia anschließen.

Für den deutschen Sammler dürfte die aus-
gezeichnete Chodo wiecki-Sammlung das
weitaus Interessanteste sein; denn das hier ver-
zeichnete Werk (1565 Blätter) gehört zu den
schönsten Kollektionen, die im Laufe der letzten
Jahre in den Handel gekommen sind. Es ist
noch größtenteils zu Lebzeiten des Künstlers
zusammengestellt und besitzt eine Reihe wich-
tiger Seltenheiten und früher Plattenzustände,
so daß man gerade auf diesen Teil der Samm-
lung mit Rücksicht auf die Wertschätzung Cho-
dowieckis im Rahmen des modernen Kunst-
marktes besonders hinweisen muß.

Kuriosa einziger Art sind auch die beiden
Pastell-Porträts von Marie Antoinette und Lud-
wig XVI., die der spätere k. sächsische Hofmaler
Johann Heinrich Schmidt verfertigt hat. Die-
selben sind von ihm im Jahre 1773 gemalt
worden, wo er nach Paris kam und bei Hofe
Zutritt erlangte. Es muß hervorgehoben wer-
den, daß diese beiden Porträts bislang unbe-
kannt gewesen sind. Sie geben die Vorzüge
der Technik des Malers und das bereits von
Nagler gerühmte schöne Kolorit in vollendeter
Weise wieder. n.

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