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Der Cicerone
Heft 22
NÄNCY. .-
Das städtische Museum zu Nancy hat eine
Marmorstatue „Danaicle“ von dem Bildhauer
Emmanuel Haunause erworben und als Ge-
schenk zwei Bilder von Emile Michel erhalten.
J. Larcher, der verdienstvolle Konservator
des Museums, hat einen resonnierenden Katalog
des Museums zusammengestellt, der mit gegen
30 Äbbildungen geschmückt in guter Ausstattung
im Verlage von Crepin-Leblond in Nancy er-
schienen ist. In der Vorrede des Katalogs gibt
der Verfasser einen klaren, kurz gefaßten Über-
blick über die Geschichte der Sammlung, aus
der man entnimmt, daß sich die Gemäldesamm-
lung des Museums von 194 Bildern im Jahre
1845 auf 442 im Jahre 1883, 567 im Jahre 1897
und 645 im Jahre 1909 gehoben hat. 140 Stifter
haben im Laufe dieser Zeit dem Museum ein-
zelne Kunstwerke oder ganze Sammlungen
überwiesen. Weniger zahlreich sind die Er-
werbungen, die die Museumskommission voll-
zog, im ganzen 130; die Stadt kaufte 25 Werke;
und der Staat überwies dem Museum seit 1845
159 Gemälde. Bis 1829 war das Museum in
der ehemaligen Ecole de medecine untergebracht;
dann siedelte es in dasRaihaus über. Die zehn
Säle, in denen das Museum heute noch unter-
gebracht ist, wurden 1891 erbaut. Wenn sich
auch verschiedentlich Platzmangel geltend macht,
so gehört das Museum zu Nancy doch sicherlich
zu denjenigen französischen Provinzmuseen,
die relativ gut installiert sind und würdig ver-
waltet werden.
Die Beschreibungen der Bilder im Katalog
sind deutlich und ausführlich, auch die Farben-
angabe ist klar und genau. Wie in deutschen
Katalogen sind auch in den meisten Fällen die
Heikunft der Bilder und stets die Maße, die
Signatur und exakt das Größenverhältnis der
Darstellung angegeben. Der Konservator Lar-
cher, der sich in seiner Galerie als geschickter
und pietätvoller Restaurator bewährte, hat auch
mit Fleiß die Literatur der Bilder durchforscht.
Mögen die literarischen Hinweise zuweilen nicht
vollständig genug erscheinen, so geben sie
deutliche Fingerzeige genug. Es sei bei dieser
Gelegenheit gestattet, ein paar Hauptwerke der
Galerie zu Nancy namhaft zu machen: Andrea
del Sarto, Tobias geführt von einem Engel —
Furini, Proserpina überrascht von Pluto — Pe-
rugino, die Jungfrau, Johannes und Christus und
zwei Engel — Ribera, die Taufe Christi —
Breughel d. J., Fest eines flämischen Dorfes —
Lucas van Leyden, die Passion Christi — Ru-
bens, Transfiguration. In den französischen
Sälen finden sich Werke von Boucher, Claude
Gellee, Daubigny, Diaz, Isabey, Manet, Poussin,
Prudhon, Raffaelli, Vernet und von Nancyer
Künstlern. Otto Grautoff.
S
PARIS ■— -
In dem Museum für angewandte Kunst in
Paris wurde eine Ausstellung von Stoffen aus
dem Empire eröffnet. Die Stoffe sind teilweise
von erlesener Kostbarkeit und eine seltene
Äugenfreude. Einige sind an den Wänden
aufgespannt, andere sind gleichzeitig mit den
Möbeln ausgestellt, denen sie als Schmuck die-
nen. So hat man das ganze Arbeitszimmer des
Kaisers und Maria Louises Boudoir zusammen-
gestellt. Zu einem genußreichen und lehrreichen
Rundgang ladet die Ausstellung ein; aber nicht
zu einem gründlichen Studium, da der Katalog
ganz fragmentarisch gehalten ist. In einem be-
sonderen Raum ist eine Sonderausstellung des
Silberschmieds J. B. Claude Odiot, einem der
Bedeutendsten im Empire, zusammengetragen.
Die Entwürfe der sorgfältig ausgeführten Po-
kale, Tafelaufsätze usw., deren Ornamentik
ruhig, großzügig und proportioniert erscheint,
stammen von Prudhon, Percier, Fontaine und
Cavelier. Ein anderer Saal ist dem lange ver-
kannten Bildhauer Joseph Chinard (geb. in
Lyon 1756, gest. 1829) eingeräumt. Paul Vitry
hat den Mißachteten wieder zu Ehren gebracht.
In der ersten Periode seines Lebens schuf er
Evangelisten- und Heiligenfiguren für Kirchen
und Klöster. Mit der beginnenden Revolution
wandelte sich seine Gesinnung und inspirierte
ihn zu antiken Gruppen. Er verherrlichte die
Republik, bis er wie David der Hofmaler, der
Hofbildhauer Napoleons wurde. Politische Trei-
bereien erschwerten ihm vielfältig das Leben
und brachten dieses impulsive Temperament
auch ins Gefängnis. Der Durchschnitt seiner
künstlerischen Leistungen entspricht dem Zeit-
stil, überragt ihn aber niemals.
* _ *
*
In der Galerie Devambez fand eine Aus-
stellung neuer Rodinsdter Handzeichnungen statt.
* * *
Die Galerie Bern heim veranstaltete eine
Ausstellung von Rene Piot, der im November
eine von neuen Arbeiten Vuillards folgte, die
erwies, daß dieses starke und einst so hoff-
nungsreiche Talent sich ganz in der Auflösung
befindet.
* *
*
Das bedeutendste Ereignis des Herbstes ist
die umfangreiche van Gogh-Ausstellung in der
Der Cicerone
Heft 22
NÄNCY. .-
Das städtische Museum zu Nancy hat eine
Marmorstatue „Danaicle“ von dem Bildhauer
Emmanuel Haunause erworben und als Ge-
schenk zwei Bilder von Emile Michel erhalten.
J. Larcher, der verdienstvolle Konservator
des Museums, hat einen resonnierenden Katalog
des Museums zusammengestellt, der mit gegen
30 Äbbildungen geschmückt in guter Ausstattung
im Verlage von Crepin-Leblond in Nancy er-
schienen ist. In der Vorrede des Katalogs gibt
der Verfasser einen klaren, kurz gefaßten Über-
blick über die Geschichte der Sammlung, aus
der man entnimmt, daß sich die Gemäldesamm-
lung des Museums von 194 Bildern im Jahre
1845 auf 442 im Jahre 1883, 567 im Jahre 1897
und 645 im Jahre 1909 gehoben hat. 140 Stifter
haben im Laufe dieser Zeit dem Museum ein-
zelne Kunstwerke oder ganze Sammlungen
überwiesen. Weniger zahlreich sind die Er-
werbungen, die die Museumskommission voll-
zog, im ganzen 130; die Stadt kaufte 25 Werke;
und der Staat überwies dem Museum seit 1845
159 Gemälde. Bis 1829 war das Museum in
der ehemaligen Ecole de medecine untergebracht;
dann siedelte es in dasRaihaus über. Die zehn
Säle, in denen das Museum heute noch unter-
gebracht ist, wurden 1891 erbaut. Wenn sich
auch verschiedentlich Platzmangel geltend macht,
so gehört das Museum zu Nancy doch sicherlich
zu denjenigen französischen Provinzmuseen,
die relativ gut installiert sind und würdig ver-
waltet werden.
Die Beschreibungen der Bilder im Katalog
sind deutlich und ausführlich, auch die Farben-
angabe ist klar und genau. Wie in deutschen
Katalogen sind auch in den meisten Fällen die
Heikunft der Bilder und stets die Maße, die
Signatur und exakt das Größenverhältnis der
Darstellung angegeben. Der Konservator Lar-
cher, der sich in seiner Galerie als geschickter
und pietätvoller Restaurator bewährte, hat auch
mit Fleiß die Literatur der Bilder durchforscht.
Mögen die literarischen Hinweise zuweilen nicht
vollständig genug erscheinen, so geben sie
deutliche Fingerzeige genug. Es sei bei dieser
Gelegenheit gestattet, ein paar Hauptwerke der
Galerie zu Nancy namhaft zu machen: Andrea
del Sarto, Tobias geführt von einem Engel —
Furini, Proserpina überrascht von Pluto — Pe-
rugino, die Jungfrau, Johannes und Christus und
zwei Engel — Ribera, die Taufe Christi —
Breughel d. J., Fest eines flämischen Dorfes —
Lucas van Leyden, die Passion Christi — Ru-
bens, Transfiguration. In den französischen
Sälen finden sich Werke von Boucher, Claude
Gellee, Daubigny, Diaz, Isabey, Manet, Poussin,
Prudhon, Raffaelli, Vernet und von Nancyer
Künstlern. Otto Grautoff.
S
PARIS ■— -
In dem Museum für angewandte Kunst in
Paris wurde eine Ausstellung von Stoffen aus
dem Empire eröffnet. Die Stoffe sind teilweise
von erlesener Kostbarkeit und eine seltene
Äugenfreude. Einige sind an den Wänden
aufgespannt, andere sind gleichzeitig mit den
Möbeln ausgestellt, denen sie als Schmuck die-
nen. So hat man das ganze Arbeitszimmer des
Kaisers und Maria Louises Boudoir zusammen-
gestellt. Zu einem genußreichen und lehrreichen
Rundgang ladet die Ausstellung ein; aber nicht
zu einem gründlichen Studium, da der Katalog
ganz fragmentarisch gehalten ist. In einem be-
sonderen Raum ist eine Sonderausstellung des
Silberschmieds J. B. Claude Odiot, einem der
Bedeutendsten im Empire, zusammengetragen.
Die Entwürfe der sorgfältig ausgeführten Po-
kale, Tafelaufsätze usw., deren Ornamentik
ruhig, großzügig und proportioniert erscheint,
stammen von Prudhon, Percier, Fontaine und
Cavelier. Ein anderer Saal ist dem lange ver-
kannten Bildhauer Joseph Chinard (geb. in
Lyon 1756, gest. 1829) eingeräumt. Paul Vitry
hat den Mißachteten wieder zu Ehren gebracht.
In der ersten Periode seines Lebens schuf er
Evangelisten- und Heiligenfiguren für Kirchen
und Klöster. Mit der beginnenden Revolution
wandelte sich seine Gesinnung und inspirierte
ihn zu antiken Gruppen. Er verherrlichte die
Republik, bis er wie David der Hofmaler, der
Hofbildhauer Napoleons wurde. Politische Trei-
bereien erschwerten ihm vielfältig das Leben
und brachten dieses impulsive Temperament
auch ins Gefängnis. Der Durchschnitt seiner
künstlerischen Leistungen entspricht dem Zeit-
stil, überragt ihn aber niemals.
* _ *
*
In der Galerie Devambez fand eine Aus-
stellung neuer Rodinsdter Handzeichnungen statt.
* * *
Die Galerie Bern heim veranstaltete eine
Ausstellung von Rene Piot, der im November
eine von neuen Arbeiten Vuillards folgte, die
erwies, daß dieses starke und einst so hoff-
nungsreiche Talent sich ganz in der Auflösung
befindet.
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Das bedeutendste Ereignis des Herbstes ist
die umfangreiche van Gogh-Ausstellung in der