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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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23. Heft
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Der Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0773

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DER KUNSTMÄRKT

♦♦



EIN EPILOG ZUR AUKTION LANNÄ

Das Bild dieser großen Versteigerung, die
in der Preisbildung des europäischen Marktes
einen radikalen Einschnitt bildet., war in seiner
gesamten Tendenz ein ebenso einheitliches wie
in den einzelnen Abschnitten mannigfaltiges und
gelegentlich überraschendes. In der fast durch-
gehenden Steigerung der Preise erfüllte die
Auktion teils die großen in sie gesetzten Er-
wartungen, teils brachte sie eine so ungeheuer-
liche Hausse, daß auch die extremsten Optimisten
überrascht waren.

Das Gesamtresultat läßt sich in möglichst
gedrängter Form so zusammenfassen. Email,
Gold und Silber außerordentlich hoch bezahlt,
z. T. mit amerikanischen Phantasiepreisen, be-
sonders natürlich der von Seligmann erstandene
„Judaskopf“, der 68 000 M.' brachte, der Evan-
geliendeckel Nr. 86 (21 000 M.) und der be-
rühmte Limosiner Reliquienschrein, dem mit
121 000 M. der Rekordpreis zugefallen ist.
Charakteristisch ist, daß die schier unüberseh-
bare Schar der Museumsleute ruhig zusah, wie
die großen Händler sich um die Beute stritten;
das Berliner Kunstgewerbemuseum zog vor,
seine Sammlung von Grubenschmelzen gleich-
zeitig durch einen Altarflügel des Nicolaus von
Verden zu bereichern, der von Bode aus Italien
mitgebracht wurde und mit 5000 Lire die Hälfte
bis ein Drittel der entsprechenden Stücke auf
der Auktion Lanna kostete.

Die weiteren Abteilungen, Glasscheiben und
Arbeiten in Holz gingen zu normalen, z. T. sogar
billigen Preisen fort; dramatisch gestaltete sich
das Bild, als mit der Abteilung IX das Zinn zum
Äusgebot gelangte, denn nun griffen die Museen
gebieterisch ein und suchten sich in heißem
Wettkampf untereinander und gegen die Händler
die Hauptstücke zu sichern. Hamburg überbot
alle übrigen an Kauflust und Kaufkraft; bei
einzelnen Stücken erreichte man Preise, die gut
das Doppelte des bisherigen Preisstandes be-
trugen, so bei Nr. 316, der sog. Adam- und
Evaschüssel, die bislang etwa 2000 M. kostete
und von Dr. Brinckmann um 4000 M. erstanden
wurde. Zwei Briotkrüge (Nr. 326 und 327) er-
reichten sogar das Dreifache des bisherigen
Wertes. Der berühmte Breslauer Humpen schlug
mit 33 000 M. alle anderen Stücke; das Berliner
Kunstgewerbemuseum, dem er zugeschlagen
wurde, hatte zum Glück nur den kleineren Teil

des nominellen Preises wirklich zu zahlen, da
ein besonderes Arrangement mit dem Verkäufer
getroffen worden war.

Auch die Bleiplaketten, bisher mit wenigen
Hunderten bezahlt, nahmen an der allgemeinen
Hausse teil und stiegen bis zu tausend Mark;
das gleiche gilt von den orientalischen Kera-
miken, deren Qualität durchgehends nicht sonder-
lich hervorragend war und die dennoch im Preise
hochschnellten. Das Hauptstück, der syrische
Älbarello Nr. 372, ging mit 29 000 M. (Rosen-
baum, Frankfurt) auf das Doppelte des Maxi-
mums, auf das Optimisten gerechnet hatten.
Dennoch gelang es den Museen von Berlin,
Hamburg, Leipzig, Prag, Stuttgart auch hier
einzelne nicht zu teuer bezahlte Erwerbungen
zu machen.

Eine weitere Sensation waren die italieni-
schen Majoliken, die, weit entfernt, ein ge-
ringeres Interesse zu finden (wie es vorher
hieß), heiß umstritten wurden. Rekordpreise
erzielte namentlich lüstrierte Ware; Gubbio
zumal stieg ungewöhnlich hoch. Dagegen war
der Preis der Robbia-Reliefs, obwohl das Fünf-
fache des Ankaufspreises, in Anbetracht der
Qualität und Seltenheit kaum sonderlich hoch
zu nennen.

Mit dem Äusgebot der Hafnerarbeiten ward
das Signal für die süddeutschen Händler und
Museen gegeben, die sich erst neuerdings dieser
gut altdeutschen Gattung annehmen. Auch hier
aber griffen einzelne auswärtige Händler ein;
Nr. 598 kostete dem Breslauer Museum infolge
der Konkurrenz Seligmanns nicht weniger als
26 000 M., die bar auf den Tisch des Hauses
gezahlt werden mußten! Bei den Kacheln von
Wiener Provenienz beteiligten sich, wie natür-
lich, alle Liebhaber der Donaustadt; aber von
Hamburg, dem nimmersatten, und Nürnberg
kam lebhaftes Gegengebot; schließlich behaup-
tete Wien mit harten Opfern das Feld. Die
Kachel Nr. 604 kam den Hamburgern mit
4800 M. hoch zu stehen; das bessere Stück
Nr. 605 wurde von Leipzig um bloße 2000 M.
erworben. Sehr teuer waren die berühmten
H. R.-Kacheln, von denen sich Berlin das beste
Stück vorweg gesichert hatte. James Simon
zahlte für ein weiteres Exemplar davon (Nr. 611)
18 000 M.; Nr. 613 und 614 gingen nach Prag
und Hamburg, beide zu bedeutend niedrigeren
Preisen.
 
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