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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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24. Heft
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Gronau, Georg; Goldschmidt, Adolph; Wölfflin, Heinrich: Zur Echtheitsfrage der Berliner Flora: Ergebnisse einer Umfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0785

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Zur Echtheitsfrage der Berliner Flora

Ergebnisse einer Umfrage

Vorbemerkung der Redaktion. Während es kaum ein Provinzblättchen in ganz
Deutschland gibt, in dem nicht irgend ein lokales Kunstorakel dekretiert hätte, daß die
Florabüste in Berlin als elende Fälschung des XIX. Jahrhunderts erwiesen sei, hüllt sich die
offizielle Kunstgeschichte in Schweigen oder äußert sich in ganz allgemeinen Betrachtungen
über Wachsbüsten überhaupt und andere Dinge, die mit dem Kern der Frage nur lose Zu-
sammenhängen.

Die bedauerliche Tatsache, daß die Berufenen bisher zumeist geschwiegen und die
Unberufenen dafür um so lauter geredet haben, legte uns nahe, an einige der geachtetsten
deutschen Gelehrten mit der Anfrage heranzutreten: Ist die Florabüste ein cinquecentistisches
Original (denn hier sitzt der Kern der Sache) oder eine Arbeit des Bildhauers Lucas?

Wir stellen im folgenden die Antworten zusammen, die wir auf unser Rund-
schreiben erhalten haben.

I.

Georg Gronau äußert sich über die Streitfrage wie folgt:

Zu dem Streit um die Florabüste haben sich die Fachgenossen bisher am
wenigsten geäußert und die Fachorgane eine, durch den ungeklärten Stand der Frage
gerechtfertigte Zurückhaltung gewahrt. Es scheint aus der Zeit zu sein, da neue Mate-
rialien zur Beurteilung voraussichtlich nicht so bald zutage treten werden, die wissen-
schaftliche Diskussion zu eröffnen, welche allein imstande ist, eine Klärung vorzubereiten.

Da ich Gelegenheit hatte, die Büste zu wiederholten Malen ohne das deckende
Glas zu untersuchen und während dieser Prüfungen, bei denen alle von gegnerischer
Seite vorgebrachten Gründe abgewogen wurden, die Überzeugung gewann, daß es ein
echtes Werk aus der Zeit des Leonardo ist, will ich die Argumente, die gegen die
Echtheit vorgebracht worden sind, so kurz, als es bei dieser verwickelten und durch
die heftige Polemik verwirrten Frage angeht, kritisch behandeln.

Den leonardesken Charakter der Schöpfung hat niemand, so weit icli sehe, be-
stritten; es handelt sich also um die Frage, ob wir es mit einem Werk aus Leonardos
Umgebung oder mit einer modernen Nachahmung, der ein Bild aus dem Leonardokreis
zum Vorbild diente, zu tun haben.

Es ist eingewandt worden, daß wir literarisch nicht nachweisen können, daß
Leonardo je eine Wachsbüste gemacht habe. Ganz richtig; aber wollte die Kunst-
wissenschaft nur mit Resultaten operieren, die dokumentarisch beglaubigt sind, so müßte
sie eine erdrückende Menge von Tatsachen fallen lassen, die nur auf dem Weg stil-
kritischer Analyse gewonnen wurden. Unsere Vorstellung von Correggios Jugendent-
* wicklung z. B. — ich greife willkürlich dies Beispiel heraus — beruht lediglich auf solchen
Argumenten. Daß wir kein gesichertes plastisches Werk Leonardos besitzen, macht
 
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