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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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6. Heft
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Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0240

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DENKMALPFLEGE

Plagraum, der nur ein lockerer genannt werden
kann, das fogenannte „Italienifche Dörfchen“
Halt, in der Ecke zwifdien ihm und dem Theater
liegt das Hotel Bellevue.

Bei dem Neubau der Äuguftusbrücke vor
mehreren Jahren entftand nun die Frage, ob
man diefe entgegen ihrer bisher fchräg feitlich
links gegen den Plag auslaufenden Lage in die
Fortfegung der Plagachfe verlegen folle. Die
Idee wurde aufgegeben, um nicht den Verkehr
auf diefen Cour d’honneur-artigen Plag zu kon-
zentrieren, während er bisher durch die Auguftus-
ftraße gegen den Neumarkt feine natürliche Lei-
tung zur Altftadt fand. Die neue Brücke behielt
die Lage der alten, der Turm der Hofkirche
teilt wie ein Pharus den Verkehr, nur einen
Arm über den Theaterplag gegen den Poftplag
ablenkend. Auch wäre es nicht günftig gewefen,
dem Plag mit fenkrecht einlaufender Brücke den
Charakter eines Monumentalplages zu geben,
da folcher außer gewiffer Symmetrie eine Steige-
rung der architektonifchen Kompofition gegen
die Tiefe zu verlangen würde, der Mufeumbau
aber nicht die ftarke Grundkuliffe abgegeben
hätte, da die Kirche das feftliche Finale vorweg
nimmt.

Bei fchräger Anordnung des Brückenzuges auf
die Hofkirche zu muß, um zu konzentrieren, die
gähnende Plagtiefe abgefchloffen und das
Italienifche Dörfchen, das der Stromregulierung
zum Opfer fiel, erfegt werden. Hier baut nun
das Erlweinfche Projekt höchft gefchickt, indem
es auch gegen dem früheren Zuftand bei der Er-
fegung des Dörfchens foviel von feiner linken
Flanke wegfehneidet, daß einmal die ganze
Kirche voll in Wirkung tritt (immer für den aus
derNeuftadt über die lange Brücke Kommenden),
kein leeres Loch, aber doch eine Tiefenbewegung
gegeben wird — man denkt an barocke Situa-
tionen — und fchließlich Raum für eine präch-
tige Rampenanlage bleibt, auf der dem Gatta-
melata in Padua ähnlich ein Reiterdenkmal des
Königs Georg eingebaut ift.

Der Neubau fegt dann gefchickt mit einem
größeren Pavillonbau ein, an den fich eine Galerie
parallel zum Fluß anfchließt. Erlwein fchreibt
darüber in feinem Erläuterungsbericht an die
ftädtifchen Kollegien: „Das neue Gebäude foll
in feiner Umrißerfcheinung eine Erinnerung fein
an das reizende, zufällig entftandene Italienifche
Dörfchen, das für den Theaterplag einen fo
hübfehen Äbfchluß gebildet hat. Es ift in feiner
Höhen- und Längenentwicklung zierlich undbe-
fdieiden, um der monumentalen Umgebung den
gewaltigen Maßftab zu erhalten. Mit Äbficht ift
das Gebäude gegen das Hotel Bellevue zu noch
kleiner gemacht, um auch diefem Gebäude feine

maßftäbliche Wirkung in der Ufergeftaltung zu
laffen.“ Dies Hotel, das erhalten bleiben muß
oder doch in ganz gleichen Dimenfionen neu zu
erbauen ift, gibt die Überleitung zum Maffiv des
Hoftheaters.

Das ganze Projekt arbeitet ohne fpielerifche
Zutaten wie Arkadengänge, Bogenabfchlüffe, die
heute (und an diefer Stelle auch fchon für Sem-
per) den meiften Städtebauern unvermeidliches
Requfit find. In eine begehende Situation kom-
poniert es mit einem fo feinen Sinn für optifches
Gleichgewicht und relative Wirkungsbedingungen
leichte Änderungen hinein, daß die ganze Wir-
kung in der harmonifchen Proportion der Maßen
beruht. A. E. B.

LUCCÄ Im kommenden Sommer wird die
Kirche S. Francesco, die nebft dem zugehörigen
Klofter feit etwa 35 Jahren als Militärmagazin
diente, nach Ausführung der nötigen Wieder-
herftellungsarbeiten wieder dem Kultus und der
Befichtigung geöffnet werden. Diefe Kirche, die
im Jahre 1228 erbaut wurde, hat eine gewiffe
hiftorifdhe Bedeutung. Im vierzehnten Jahr-
hundert durch Paolo Giunigi vergrößert und
verfchönert, war das Klofter im Jahre 1531
Schauplag der Proteftverfammlungen des Luc-
chefer Volkes, welche fchließlich zu dem Äuf-
ftande der „Straccioni“, einem Seitenftück zu
dem Florentiner Aufftande der „Ciompi“ führten.
Die Wiederherftellungsarbeiten find im Aufträge
des Ufficio Regionale durch die Maler und
Reftauratoren Rotellini und Piccini ausgeführt
worden. Während der Arbeiten kamen außer
einem hübfehen gemalten Fries verfchiedene
Freskenrefte zum Vorfchein. Der Kopf einer
Madonna mit dem Kinde, aus dem 14. Jahr-
hundert, eine Lünette des Quattrocento und eine
andere im Stile Carlo Dolcis. Mehrere berühmte
Luccheser sind in der Kirche begraben; be-
merkenswert find vor allem die Gräber des
Giovanni Guidiccioni und des Condottiere Car-
truccio Cartracane degli Antelminelli. W. B.

MÜNCHEN Das alte Stufflerhaus an der
Ecke der Perufa- und Refidenzftraße, bekannt
durch feinen Photographienladen, der ftets eine
große Zahl von Paffanten anzuziehen pflegt,
foll jegt endgültig niedergeriffen werden, nachdem
es von einem Konfortium angekauft ift. Ver-
handlungen über diefen Kauf haben faßt 20 Jahre
beftanden. Durch den Neubau wird freilich die
Straßenecke um faft 2 Meter eingerückt, aber
München verliert wieder eines feiner charakte-
riftifchen Häufer vom Ende des 18. Jahrhunderts
und noch dazu ein folches, das fich der Gunft
der Münchner befonders erfreute.

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