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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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6. Heft
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Denkmalpflege
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Entdeckungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0241

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DENKMALPFLEGE ° ENTDECKUNGEN

PISÄ Durch einen Teil der italienifchen Preffe
gingen kürzlich alarmierende Nachrichten über
die Stabilität des fchiefen Turmes. Eine An-
frage im Ufficio Regionale hat ergeben, daß die
Beforgniffe unbegründet find. Eine Kommiffion,
unter Leitung des Präfidenten der Dombauhütte,
On. Toffanelli ftudiert gegenwärtig den Zuftand
der Fundamente, des Erdreichs, das vonWaffer
durchfickert wird, und die Oscillationen des Tur-
mes. Obgleich ein abfchließendes Gutachten
noch nicht vorliegt, läßt fich doch fchon jeßt
fagen, daß eine unmittelbare Gefahr für den
ehrwürdigen Bau nicht befteht. W. B.

PIENZÄ Von den Projekten zur Sicherung
des feit einigen Jahren durch die Wirkung des
Erbebens bedrohten Domes von Pienza, einem
Werk Bernardo Roffellinos, hat die vom Mini-
fterium einberufene Kommiffion dasjenige des
Architekten Spighi gutgeheißen. H.

SCHWEIZ ERHALTUNG HISTORISCHER
KUNSTDENKMÄLER. Der Vorftand der Schweiz.
Gefellfchaft für Erhaltung hiftorifcher Kunftdenk-
mäler hat Ende Februar neue Gefache um Bun-
desfubvention eingereicht, fo für die Erhaltung
der Stadtmauer in Murten, alter Fresken im
Eppfchen Haufe in Altdorf, Reftaurierungsarbeiten
an den Kirchen Donatgre und Orny. Zur Be-
fprechung kamen noch ein paar teils im Wurf
liegende, teils fchon in Ausführung begriffener
Unternehmungen. Es feien genannt: Eftavayer,
Stadtmauer und Stadttor; Schaffhaufen, dieFefte
Munoth; Rheinfelden, Rathaus; Kirche zu Frick;
Vindoniffa-Mufeum zu Brugg; Schloßgut Pfef-
fingen; Dionyfuskapelle Rapperswyl; die Genfer
Kirchen La Madelaine und Fusterie. — Für die
graphifche Fefthaltung der bedrohten alten Faf-
faden-Malereien in Bünden, befonders in Süs,
Ärdez, Schuls wurde ein Kredit bewilligt und eine
Kommiffion beauftragt, im Verein mit dem Äus-
fchuß für das „Schweizerifche Bürgerhaus“ und
der „Bündner Heimatfchußvereinigung“ in diefer
Sache vorzugehen. J. C.

ENTDECKUNGEN

DIE FRESKEN VON RIVÄ SÄN
VITALE Der „Cicerone“ hat im vergangenen
Sommer von des Verfaffers vorläufiger Mittei-
lung über die damals entdeckten Wandgemälde
im Taufhaus von Riva San Vitale Notiz ge-
nommen. Im Änfchluß daran fei hier etwas über
den Charakter der Bilder nachgetragen. Ein
Vergleich mit dem Codex Querinianus von Eufebs
Evangelienkonkordanz zu Brescia ergibt, daß

die Fresken zeitgenöffifch verwandt mit den
Miniaturen diefer Handfchrift find. Diefe ftammt
aus dem Befiß des Gefchlechtes Lamberti von
Bologna, es ift daher möglich, daß fie in leß-
terer Stadt gefchrieben und gemalt ift. Ihre
Entftehungszeit fcheint ums Jahr 1000 herum zu
liegen; der Herausgeber der Handfchrift, Andrea
Valentini (Eufebio, Concordanze di Vangeli ...
pubblicato dall’Äteneo di Brescia, Brescia 1887 p.5)
fchwankt zwifchen dem 10. und dem Beginn des
11. Jahrhunderts. Garrucci neigt zum 10., Sickel
und Aldenhoven zum 11. Jahrhundert. Wie Va-
lentini den Codex, fo hatte der Verfaffer bei
Bloslegung der Fresken von Riva das Gefundene
datiert, und zwar ohne damals den Text des
Brescianer Gelehrten gelefen zu haben. Über-
einftimmende Merkmale der Wandbilder und
der Miniaturen find nun die Haltung der Figuren
mit den vorgeneigten Köpfen, der Faltenwurf,
identifche Zeichnung der Engelsflügel, gleichartige
Zeichnung der Hände, Andeutung von Archi-
tektur als Hintergrund (Bogen mit Zinnenmauer).
Ferner find mehrere Ornamentmotive in beiden
Denkmälern vorhanden: hieher gehören die hellen
Tupfen auf dunkeim Grunde, die liegenden Rau-
ten, die Kreife, die mit Lilienenden befeßt find
(auf Canonestafel V und VIII, X des Codex und
unterfte Ornamentzone zu Riva).

Indes ift nidit zu leugnen, daß der Freskant
im Zeichnen der Köpfe dem Miniaturenmaler
überlegen war, ebenfo im Entwerfen der Falten.
Ein Vergleich einer zu Riva wohlerhaltenen
Engelsfigur (mit der Gebärde des Redens und
mit dem Szepter) mit dem Verkündigungsbild
des Codex wird dies jedermann fofort klar
machen.

Zum Inhalt des Freskos fei noch nachgetragen,
daß das obere Bild eine Himmelfahrt Chrifti dar-
ftellte (der Heiland in der Mandorla, umgeben
von vier Engeln, ähnlich Tafel IX des Codex).
Der redende Engel der unteren Bildzone ift indes
vielleicht ein Beftandteil von einer Darftellung
der Frauen am Grabe (nicht der Verkündigung,
wie anfänglich vermutet) und korrefpondiert
dann mit Tafel VII des Codex. Die leßte Gruppe
von Riva, mit den Spuren einer liegenden Ge-
ftalt, ift vielleicht als Tod Mariä, analog Tafel XI
des Codex anzufprechen.

In jedem Fall handelt es fich zu Riva um Werke
eines tüchtigen Meifters, der durchaus auf der
Höhe der damaligen Kunft Oberitaliens geftanden
hat. Außerdem fcheinen die Gemälde auch die
älteften im Kanton Teffin erhaltenen Fresken
zu fein; fie find viel älter als die rohen pofthum-
romanifchen Bilder von Rovio, die von Rahn
ins 12. Jahrhundert datiert worden find, tatfäch-
lich aber dem 14. Säkulum angehören. Im Gegen-

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