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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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8. Heft
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Fischel, Hartwig: Die Ausstellung schwedischer Volkskunst und Hausindustrie im K. K. Österr. Museum für Kunst und Industrie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0316

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DIE AUSSTELLUNG SCHWEDISCHER VOLKS-
KUNST UND HAUSINDUSTRIE IM K. K. ÖSTERR.
MUSEUM FÜR KUNST UND INDUSTRIE IN WIEN

Mit 3 Abbildungen auf 1 Tafel Von HÄRTWIG FISCHEL

Im neuen Äusftellungstract des k. k. Öfter-
reichifchen Mufeums für Kunft und Induftrie
in Wien haben fich für kurze Zeit fchwedifche
Gäfte eingefunden. Der große Mittelfaal war
von einer Äusftellung fchwedifcher Volkskunft
und Hausinduftrie okkupiert, die einen inter-
effanten Einblick in jene lebendige häusliche
Textilinduftrie gewährte, welche dort fich aus den
Anregungen durch die heimifchen Traditionen
entwickelt hat. Neues und Altes wurde in fried-
lichem Nebeneinander vorgeführt. Äusgewählte
Stücke aus dem Nordifchen Mufeum (Nordiska
Museet) in Stockholm zeigten den hohen Grad
von künftlerifchem Empfinden und das technifche
Können, welche im Bauernftande noch um die
Mitte des 19. Jahrhunderts lebendig waren und
gegen das Ende desfelben zu erlöfchen drohten.
Daneben waren zahlreiche moderne Arbeiten zu
fehen, die diefe volkstümlichen Ärbeitsweifen als
das Refultat einer Neubelebung einer fyftematifch
gepflegten Schulung vorführten. Endlich waren
Arbeiten aus bürgerlichen Kreifen, von Vereinen
und Kunftfchulen ausgeftellt, die vielfach unter
der Leitung einflußreicher, moderner Künftler
ftehen. Sie entfernen fich umfo mehr von der
bloß traditionellen Pflege alter Techniken und
überlieferter Motive, als fie neuen Aufgaben zu
dienen haben und neue Mittel verwenden.

Was diefe Vorführung befonders erfreulich
macht, ift eben diefes Weiterbauen auf heimi-
fchem Boden mit Mitteln der Zeit. Es ift die
Ächtung und Wertfchäßung der Vergangenheit,
bewiefen von jenen, die ganz in einer neuen
Zeit leben und für ihre Bedürfniffe einen Aus-
druck fuchen. Im Grunde genommen ift diefe
Vereinigung eine ausgezeichnete Widerlegung
gegenüber allen jenen, die ftets behauptet haben,
daß alte und neue künftlerifche Betätigung neben-
einander wie feindliche Mächte wirken müffen.
Auch liegt hier der feltene Fall vor, daß die
Zerftörung der heimifchen, eingeborenen Tradi-
tionen aufgehalten erfcheint, daß auch jene
Schichten der Bevölkerung zur Mitarbeit heran-
gezogen find, die in früheren Zeiten die Schöpfer
der Traditionen, die Mehrer des Schaßes an Über-
lieferungen waren.

Schweden ift kein großes und kein dicht be-
völkertes Land, — es hat aber eine lange See-
küfte, deren Konturen durch viele Buchten und
Infein belebt werden. Es find mannigfaltige
Variationen in den Befiedlungsverhältniffen vor-
handen, je nachdem das Gebirge mit Jagd und

Waldbau, das flache Land mit dem Ackerbau
und der Viehzucht, oder die Küfte mit der
Fifcherei und Seefahrtei vorherrfchen. Es gibt
darum troß der einheitlichen blonden fkandi-
navifehen Raffe mannigfaltige Variationen im
Volksgemüt und Temperament. Man erkennt
aus den abwechslungsreichen Volkstrachten, die
vielfach noch heute unverändert getragen wer-
den und auch in den Straßen der Städte, auf
Märkten und bei feftlichen Änläffen anzutreffen
find, daß die fcheinbar fo einheitliche Bevölke-
rung vielerlei Typen aufweift. Es lebt in ihr
ein ftarkes Heimatsgefühl und eine warme An-
hänglichkeit an die Scholle, welche gar oft nur mit
harter und fchwerer Arbeit nußbar gemacht
werden kann. Aber diefer ftarke Patriotismus
hat die mutige und lebhafte Nation nicht abge-
halten, regen Kontakt mit anderen Nationen zu
pflegen, expanfive Handelspolitik zu treiben und
heimifchen Induftrien den Weltmarkt zu fiebern.
In den Kunftzentren Europas find fchwedifche
Künftler heimifch, an den Univerfitäten Europas
arbeiten ihre Studenten und fo ift auch die kleine
fchwedifche Wanderausftellung ein Beweis von
der Rührigkeit und Tatkraft des Volkes.

Man darf nicht mit der Erwartung großer
Senfationen an fie herantreten. Wer aber ein
Freund tüchtiger und einfichtsvoller Förderung
einer volkstümlichen kunftgewerblichen Tätig-
keit ift, wird fie mit Freude begrüßen. Die Füh-
rung des Ganzen lag in der Hand Dr. Bernhard
Salins, des rührigen Direktors des Nordifchen
Mufeums, welches den Ausgangspunkt der gan-
zen Wiederbelebung heimifcher Techniken bildet.
Wer Stockholm befucht hat, kennt das große
Freiluftmufeum, das unter dem Namen Skanfen
in einem Teil des ehemaligen königl. Tier-
gartens (Djurgarden) eine Reihe der charakte-
riftifchen nordifchen Bauernhäufer mit ihrer ori-
ginalen Einrichtung, mit Koftümen und Gerät-
schaften beherbergt. Wer kürzlich den neuen
großen Mufeumsbau dafelbft aufgefucht hat,
weiß, daß nunmehr auch die reiche und glän-
zende nordifche Sammlung in einem großen
Gebäude fachkundige Äufftellung gefunden hat,
die einen Stolz Stockholms bildet. Früher als
anderwärts wurde in Stockholm die Notwendig-
keit erkannt durch Äuffammlung, Befchreibung
und Popularifierung der Leiftungen heimifcher
Volkskunft, das Verfchwindende zu erhalten und
neuem Wirken eine befruchtende Quelle zu er-
öffnen. Mit unermüdlichem Eifer ging einft der

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