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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

um Erfolg ringt. Die Äusftellungsleitung hat es
aber für nötig befunden, durch die Zufammen-
ftellung der Bilder ihren Standpunkt program-
matifdi zu betonen, und, damit ja kein Zweifel
darüber befteht, fowohl im Vorwort des Kata-
logs, als audi in der Rede des Vorfißenden ihre
Meinung zu präzifieren. Das Vorwort fchließt
mit den bedeutfamen Worten, daß „die Revo-
lutionäre von geftern die Klaffiker von heute
geworden find“, und in der Rede Liebermanns
ftand der Satz: „Das Exiftenzrecht der Berliner
Sezeffion erhält eine neue Begründung: wir
wollen uns wieder auf die handwerkliche
Grundlage befinnen, auf die Grundlage aller
Kunft.“ Denkt man nun an eine Äußerung des
Redners vom Winter her, da er fich zu dem
Grundfaß eines gemäßigten Defpotismus in Kunft-
ausftellungsaffären rückhaltlos bekannte, fo merkt
man, daß in dem Entfchluß zu den drei Kollektiv-
ausftellungen derfelbe Geift tätig war, wie in
der Auswahl der auszuftellenden Bilder, merkt
auch allmählich den tieferen Sinn davon, der in
dem wehmütigen Bekenntnis der Rede gipfelt:
„Wir kommen wohl nur feiten in die Lage, uns
zu täufchen, weil ja die Genies bekanntlich dünn
gefät find.“ Mit einem Wort: wir, d.h. Lieber-
mann, Corinth, Slevogt und noch einige würden
ja gerne unfern Plaß den Genies räumen, wenn
wir es vor unferem malerifchen Gewiffen ver-
antworten könnten. Wir haben ja die Jungen
recht lange, mitunter recht toll gewähren laßen,
folange wir dachten, daß sie uns das Heil ver-
künden würden. Mit der Zeit fahen wir aber
immer mehr ein, daß ihnen die folide Grundlage
technifchen Könnens zu ihrer Genialität fehlt und
daß auch diefe noch erft bewiefen werden muß.
Die diesjährige Äusftellung foll, nicht zuleßt, einen
pädagogifchen Zweck erfüllen; fie foll ein Hin-
weis auf die bewährten Namen fein und es
mögen fich den Stürmern die Äugen darüber
ößnen, wie fchwer der gradus ad Parnaßum ist.
Mit befonderer Genugtuung wird nicht nur der
zahme Schwede Zorn vorgeführt, fondern auch
die Führer der füddeutfchen Sezeffion, Haber-
mann und Trübner. Ja, wenn das große Bild
von Manet als der Clou der Äusftellung feier-
lich hingeftellt wird, fo ift darin ein nachdrück-
liches Äusfpielen des foliden Könners gegen
deßen eigene geniale Ällüren unverkennbar. Und
dann ift es nur konfequent, daß die wildeften
Bilder überhaupt zurückgewiefen wurden —
was zur Gründung eines „Salon des refusees“
geführt hat — und die gewagten durch „ge-
fchicktes“ Hängen recht unfchädlich gemacht
wurden. Der ruhige Bürger braucht weder am
Gegenftändlidhen, noch am Technifchen Änftoß
zu nehmen, es wäre denn, er käme mit der

Äbficht herÄrgerniße zu finden. Alles in allem:
man nähert fich immer mehr dem feindlichen
Lager der Gemäßigten und vielleicht fteht uns
bald ein Verbrüderungsfeft bevor, wie etwa die
Empfänge der Akademie der Künfte die feind-
lichen Führer vereinigen.

Auf dem Äushängefchild der Sezeffion hängt
diesmal Manets „Erfchießung Kaifer Maxi-
milians in Mexico“ (Äbb. s. „Cicerone“ S.245),
das von der Mannheimer Kunfthalle kürzlich
erworben wurde. Der Künftler wird in der ge-
nannten Vorrede als der größte Maler des
XIX. Jhdt. angefprochen; in Berlin hat man ge-
rade jetzt Gelegenheit, die Richtigkeit diefes
Wahrfpruchs nachzuprüfen und wird nicht er-
warten, daß fich über rein malerifche Qualitäten
hinaus etwas von der hiftorifchen Bedeutfamkeit
des Momentes ins Bild hinübergerettet hätte.
Auf alle Fälle aber ift die Galerie zu beneiden,
die das Meifterwerk fich zu fichern verftand; es
hält mehr, als die Photographie verfpricht.

Von den drei Sonderausftellungen wirkt keine
überrafchend. Zorn ift von früher her bekannt
in diefer Zufammenfeßung und das dumpfe Wein-
rot der Wandbemalung laftet fchwer auf den
Gemälden, deren virtuofe Pinfelführung zuweilen
ermüdet, wenn fie fo fpielend über alle Probleme
hinweggleitet. Noch mehr gilt das von Haber-
mann, deßen Frauengeftalten nur noch, einzeln
vorgeführt, das Tageslicht vertragen; in ihrer
unerfreulichen Wiederholung kommt das Manie-
rierte doppelt ftark zum Bewußtfein. Wo im
vorigen Jahr Leibi hing, ift die dritte Kollektiv-
ausftellung, die von Trübner zu fehen. Neben
einigen älteren meift neue und neuefte Arbeiten,
überwiegend Pferdeköpfe, diefe bei weitem das
Befte von allem. Und auch hier gewinnt man
den Eindruck, daß man fich mit diefem Grün
nur einzeln befreunden könne; bei der An-
häufung verliert es jeden Schein von Wahrheit.
Man denkt — wie gefagt — in diefem Saal an
Leibi, und macht fich allerlei Gedanken über
Vorwärtsftreben und Stillftand derTalente; waren
doch Frühwerke des einen von denen des andern
oft kaum zu unterftiheiden.

Der ftärkfte Eindruck diefer links gelegenen
Säle ßnd die paar Bilder von Hodler, mit fo
urfprünglicher Kraft find fie gegeben. Der „Holz-
hauer“ fowohl als auch der „Mäher“ ftürzen in
einer ganz unbekannten Verkürzung einem ent-
gegen und die holzfchnittartige Zeichnung wird
von einer feltfam kräftigen Kolorierung unter-
ftüßt. Zugegeben, es ift kein Maler; doch einer
der felbftändigften Künstler unferer Zeit.

Von den Führern, die nicht fehlen dürfen, hat
Liebermann zwei Porträts, von Fr. Naumann
und R. Dehmel, welche die alten Vorzüge aufweifen

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