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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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10. Heft
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Heuser, Emil: Das historische Museum der Pfalz in Speyer: zur Eröffnung des Neuen Hauses am 22. Mai 1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0394

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DAS HISTORISCHE MUSEUM DER PFALZ IN SPEYER

Der Mufeumsbau-Verein „Hiftorifches Mufeum der Pfalz, E. V.“ war unter dem Re-
gierungspräfidenten Freiherrn von Welfer ins Leben gerufen worden, und diefer hödifte
Beamte der Pfalz übernahm auch die Leitung des Vereins. Nach der 1902 erfolgten Ver-
fettung des Freiherrn von Welfer in den Kreis Mittelfranken ging der Vorfiß an feinen
Amtsnachfolger Ritter von Neuffer über. Ihm gelang es unter werktätiger Beihilfe der
übrigen Vorftandsmitglieder, namentlich des erften Schriftführers, Regierungsrates Berthold,
die Ausführung des Vorhabens in fo unerwartet kurzer Frift zu ermöglichen.

Die Pläne zum Mufeum hatte der Erbauer des Nationalmufeums in München, der er-
folgreiche Architekt Gabriel von Seidl, entworfen. Im Frühjahr 1907 wurde der Bau in
Angriff genommen, Mitte des Jahres 1909 war er vollendet und im folgenden Winter
fand die Überfiedlung der Sammlungen und deren Neuaufteilung im Mufeum ftatt. Am
22. Mai 1910 ift das Hiftorifche Mufeum der Pfalz in Speyer feierlich eröffnet worden,
und zwar durch Prinz Ruprecht von Bayern in Vertretung des Prinzregenten Luitpold.

An der Stelle nahe dem Kaiferdom, wo bis 1907 eine aufgegebene Kavaleriekaferne
ihre kahlen Fronten zeigte, ift ein Mufeumsbau erftanden, der durch fein Äußeres das
Stadtbild von Speyer wefentlich verfchönert und durch feine Ausgeftaltung den Blick der
Baukunftverftändigen und der Archäologen auf feine muftergültigen Räume hinlenken
wird. Es ift ein zweiftöckiger Bau von wuchtigen, doch durchwegs fchlichten Formen.
Die dem Dome zugekehrte abgefchrägte Ecke ift zum Hauptftück des Baues entwickelt.
Flankiert von zwei Rundtürmen, zeigt fich da eine reich gehaltene Eingangsfaffade mit
vorgelagerter Terraffe und breiter Freitreppe. Über dem Portal ift eine Sandfteinfkulptur,
die groß ausgeführte Reiterfigur eines pfälzifchen Heroldes, eingefügt. Auf den Stein-
fockeln, die rechts und links die Terraffe begrenzen, hat man zwei Schauftücke von be-
fonderer Art aufgeftellt, nämlich die zwei boffierten römifchen Reiterftandbilder, die 1887
im Abraumfchutt eines römifchen Steinbruches bei Breitfurt im Bliestal (Pfalz) aufgefunden
und auf Veranlaffung des Hiftorifchen Vereins nach Speyer verbracht wurden. Es find
vermutlich Standbilder von Imperatoren, die nach ihrer Vollendung das Forum irgend
einer Stadt der germanifchen oder gallifchen Provinzen zu zieren beftimmt waren. Zwar
haben die römifchen Bildhauer die Reiter nur roh aus den Sandfteinblöcken vorgearbeitet,
aber auch in diefem erften Zuftande rufen fie fchon einen durchaus künftlerifchen Ein-
druck hervor und wirken ganz ausgezeichnet durch die lebhafte Bewegung der Pferde
und die natürliche Haltung der darauffißenden Männer. Antike Reiterftandbilder gibt es
nur noch wenige; die zwei Imperatoren von Speyer verdanken wohl ihre Erhaltung ge-
rade dem Umftand, daß fie unfertig im Steinbruch ftehen blieben und da verfchüttet
wurden. Jedes der beiden Standbilder ift 2,60 m hoch, 2,50 m lang und wiegt etwa
200 Zentner. Diefer archäologifche Schmuck der Eingangsfaffade weift jedenfalls in ftim-
mungsvoller Art auf den Zweck des Gebäudes hin, und darum auch hat der Architekt
fchon gleich im Entwurf den zwei antiken Standbildern diefe Pläße angewiefen.

An der Südoftecke des Baues erhebt fich ein dritter Turm, der aber wefentlich ftärker
und höher ift als die beiden Faffadentürme. Diefer Hauptturm fchließt die Nordoftfaffade
wirkungsvoll ab. In der Südweftfaffade durchbricht dieApfis des gewölbten Römerfaales
die gerade Flucht. In der Mitte des Südoftflügels ift der für die frühe Kaiferzeit be-
ftimmte Raum als romanifche Halle ausgebaut und fpringt fowohl nach der Außenfeite, als
nach der Hof feite vor. Der Südweftflügel hat an einem Ende einen halbrunden Vorbau. Der
Grundriß des Mufeums ift fomit reich gegliedert und dementfprechend auch die Raum-
verteilung vorzüglich gelungen. Man kann im Mufeum einen vollftändigen Rundgang
machen, ohne daß man einen der Räume wiederholt zu durchfchreiten hätte. Ift man im

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