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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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11. Heft
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Kühnel, Ernst: Ausstellung von Meisterwerken mohammedanischer Kunst in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0456

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AUSSTELLUNG VON MEISTERWERKEN MOHAMMEDANISCHER KUNST

Mamelukenzeit abzugrenzen. Ebenfo [teilt es
mit den „Sarazenenftoffen“ aus derfelben Epoche,
bei denen die alte Bezeichnung als „Damafte“
vielleicht doch eine richtige Angabe über den
Fabrikort enthält. Unter diefer Klaffe von Tex-
tilien ragen befonders die Prachtgewänder aus der
Danziger Marienkirche hervor. Den Ruhm, die
koftbaren emaillierten und vergoldeten Glas-
gefäße hervorgebracht zu haben, die das Abend-
land von jeher bewunderte, beanfprucht vor-
läufig noch Damaskus für fich allein; ob mit
Recht, das ift ebenfalls eine unentfchiedene Frage.
Die Ausftellung weift etwa zwanzig prächtige
derartige Arbeiten auf, darunter zwei frühere
als Reliquiarien benüßte Stücke aus dem Wiener
Stephansdom, die an Schönheit des Emails kaum
ihresgleichen haben dürften. Wien hat auch
den fchönften fyrifchen Teppich (aus dem Befiße
des Kaifers von Öfterreich) beigefteuert, der bis-
lang überhaupt bekannt geworden ift und der
in feiner ftreng geometrifchen Zeichnung und
weichen, harmonifchen Farbengebung felbft den
viel berühmteren Jagdteppich in den Schatten ftellt.
Die gefchnißten Elfenbeinarbeiten, die z. T. fyri-
fchen Urfprungs fein mögen, haben der Einheit-
lichkeit halber in der fizilifchen Gruppe Auf-
hellung gefunden.

Aus Ägypten find treffliche Beifpiele der
beiden Blüteperioden, der fatimidifchen und der
mamelukifchen, vorhanden, daneben einige Denk-
mäler, die noch in die koptifche Zeit zurück-
greifen. Unter der Keramik von Foftat heben
wir nur die große Vafe aus dem Befiß von
Dr. Fouquet in Kairo hervor. Einigen älteren
Metallarbeiten, Tierfiguren ufw. reihen fich die
taufchierten Bronzen des 14. Jahrhunderts mit
ihrem ftattlichen epigraphifchen Dekor an. Unter
den gefchnittenen Gläfern und Kriftallen fällt
manch berühmtes Stück auf, fo die große Wiener
Henkelkanne und der Löwenkopf aus Kaffel.
Wir übergehen die Stoffe, die Elfenbein- und
Holzfchnißereien und gedenken nur noch kurz
der Budikunft, als deren älteftes Denkmal der
große kupfche Koran aus der herzoglichen Bib-
liothekin Gotha pguriert. Ihm fchließen fich zwei

prachtvolle Korane im Mamelukenftil, aus der
Leipziger und der Dresdener Bibliothek, an.
Auf Sizilien, das ja in gewiffem Sinne mit
Ägypten zufammenhängt und deffen Bedeutung
für das mohammedanifche Kunftgewerbe noch
immer nicht ganz aufgeklärt ift, wird man neben
einigen andren Textilien vor allem den Kaifer-
mantel Heinrichs II. aus dem Bamberger Dom
und eine Reihe bemalter Elfenbeinkäften und
Dofen zurückführen dürfen.

Am fchwächften von allen Abteilungen ift vor-
derhand Spanien vertreten, da eine große
Madrider Sendung, mit der man Leihgaben aus
Staatsbefiß, befonders aus der Ärmeria, fowie von
mehreren Privatfammlern erwartet, noch aus-
fteht. Die Lüfterkeramik von Malaga ift aber
fchon jeßt durch zwei riefige Henkelvafen (Si-
monetti-RomundHeilbronner-Paris) und diejenige
von Valencia durch eine ftattliche Zahl von Tellern
und Schüffeln vertreten. Ferner verdienen die
Fliefenfammlung von K. E. Ofthaus in Hagen,
Teppiche aus den SpanishÄrt Galleries in London,
und ein maurifches Schwert aus dem Kaffeier
Mufeum hervorgehoben zu werden.

Kleinere Gruppen bilden Zentralafien (Metall
und Keramik) und Indien, deffen Miniaturkunft
vor allem eine ausreichende Vertretung gefunden
hat. Daneben find Lackarbeiten und Teppiche
(der fchönfte aus dem Mufeum für Kunft und
Induftrie in Wien) zu nennen.

In befonderen Kabinetten werden die Ein-
flüffe des Orients auf Rußland, Polen und
Skandinavien an geeigneten Beifpielen gezeigt,
und ebenfo nimmt Venedig einen befonderen
Raum ein. Hier fällt alsKuriofum ein perfifcher
Seidenftoff mit eingewebten Markuslöwen, aus
der Kaiferl. Rüftkammer in Moskau, befonders auf.

Eine weitere intereffante Gruppe bilden euro-
päifche Gemälde und Stiche, die fich auf den
Orient beziehen.

Eine ausgezeichnete Fachbibliothek, die von
Karl W. Hierfemann geliehen wurde, erleichtert
in dankenswerter Weife die Verwertung der in
der Ausftellung gewonnenen Eindrücke zu ein-
gehenderen Studien.

Der Cicerone, II. Jahrg., 11. Heft. 30

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