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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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13. Heft
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Heuser, Emil: Die alten Manufakturen für Fayence und für Steingut zu Flörsheim am Main
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0513

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DIE ÄLTEN MÄNUFÄKTUREN FÜR
FÄYENCE UND FÜR STEINGUT ZU

FLÖRSHEIM ÄM MÄIN Von EMIL HEUSER, Speyer

In Flörsheim am Main, einer Ortfchaft zwifchen Frankfurt und Mainz, die ehemals dem
Mainzer Domkapitel gehörte, wurde 1765 durch einen Bürger der Stadt Mainz namens
Georg Ludwig Müller eine Fayencefabrik errichtet, nachdem er vom Kurfürften und Erz-
bifchof Emmerich Jofeph von Breidenbach-Bürresheim unter Zuftimmung des Domkapitels
ein Privilegium zur Herftellung von Fayencewaren erhalten hatte, und zwar auf acht
Jahre. Nach Umfluß diefer Zeit erneuerte der Kurfürft das Privilegium der Fayencefabrik
auf zwölf weitere Jahre, jedoch gefchah dies nicht mehr zugunften des Begründers
Müller, fondern des Priors und Konventes der Kartaufe in Mainz, an welche Müller die
Fabrik fchon mehrere Jahre vor Ablauf feines Privilegs verkauft zu haben fcheint. Als
Direktor war vom neuen Fabrikherrn etwa 1768 ein ehemaliger Wundarzt und Hofbefißer
namens Kafpar Drefte (aus Hofheim) eingefeßt worden.

Die Kartaufe bezog, wie Drefte gelegentlich aufftellte, fchon feit 1769 aus der Fabrik
einen jährlichen Gewinn von mindeftens 1000 Gulden, wogegen man dem Direktor nur
fein Jahresgehalt von 400 Gulden nebft freier Wohnung, freiem Holz und Licht zu-
kommen ließ, ihm aber den vertragsmäßigen Gewinnanteil verweigerte. Als Drefte mit
feinem Verlangen unbequem wurde, entließ man ihn1 und vergab die Manufaktur in
Pacht. Dabei blieb es bis 1780, wo der Pächter ftarb. Wahrfcheinlich machte die Fabrik
in diefer Zeit fchlechte Gefchäfte, doch ift darüber in den Akten nichts enthalten, nicht
einmal der Name des Pächters ift darin aufzufinden.

Dem Klofter der Kartäufer war damals in feinem eigenen Beftande gewiffermaßen
eine Grenze gefteckt, denn der Erzbifchof hatte fchon feit 1771 dem Prior die fernere
Aufnahme von Mönchen verboten. Nadidem fomit die Kartaufe felbft dem Abfterben
geweiht war, fo konnte auch der Befilj einer Manufaktur für fie keinen rechten Zweck
mehr haben. Der Prior wollte daher die Fayencefabrik verkaufen, und zwar ans Dom-
kapitel. Diefes lehnte es jedoch ab, fich durch Übernahme der Fabrik mit einem Gewerbe-
betrieb zu belasten, obwohl das erzbifchöfliche Vikariat bereits feine Zuftimmung dazu
gegeben hatte. Nur infofern ließ fich das Domkapitel mit dem Werke in Beziehung
bringen, daß es der Kartaufe die Erlaubnis gab, auf die Preisliften ihrer Flörsheimer
Manufaktur das Wappen des Domkapitels zu feßen. Mit diefem äußerlichen Kennzeichen
einer herrfchaftlich privilegierten Manufaktur war aber der Kartaufe wenig gedient, und fo
fchrieb der Prior die Flörsheimer Fayencefabrik allgemein zum Verkaufe aus. Als fich
kein Käufer meldete, erließ man noch ein zweites Ausfehreiben, diesmal aber mit dem
Zufatj, daß man auch bereit fei das Werk wieder zu verpachten. Auch jetjt fand fich
kein Käufer, aber doch ein Pächter, und zwar in der Perfon des Handelsmannes Wein-
gärtner von Mainz. Diefer übernahm am 1. Februar 1781 die Manufaktur gegen eine
jährliche Pachtfumme von 1050 Gulden und gab fich unter Aufwand von eigenem Kapital
redlich Mühe das Werk in die Höhe zu bringen.

Bald nach der erneuten Verpachtung hatte das letjte Stündlein der Kartaufe gefchlagen:
Das Klofter ward im Jahre 1781 durch päpftliches Breve aufgehoben und fein gefamtes
Vermögen der Univerfität Mainz überwiefen, dabei auch die Fayencefabrik in Flörsheim.

1 Drefte wurde fofort bei der fürftlich naffauifdien Fayencefabrik Wiesbaden als Direktor an-
genommen und biieb es bis zu feinem Tode 1787.

Der Cicerone, II. Jahrg., 13. Heft. 34

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