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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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13. Heft
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0526

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AUSSTELLUNGEN

Kirche von großartiger Klarheit der Gliederung
und verblüffender Plaftik der Erfcheinung, und
ein Stilleben von Gauguin, Blumen roftig rot-
gelb, köftlich zufammengefchmolzen mit dem
engverwandten Ton eines Tuches. Schließlich
Ingres, Courbet und Monticelli mit intereffanten
Proben.

SCHULTE macht fich die Sache leichter. Im
Oberftock hält er ohnehin eine Zahl von ge-
rahmten und bemalten Leinwänden, deren Mehr-
zahl parlamentarifch nicht zu benennen ift, ziem-
lich unverändert auf Lager und in den Erd-
gefchoßfälen wechfelt kritiklos Gutes mit Schlech-
tem. Fangen wir mit dem Befferen an. Ein
Anton Graff, Bildnis Johann Anton Riedels, des
Infpektors der Dresdner Galerie (1732—1816), ein
etwas weichlich aber entfchieden eindrucksvoll
gemaltes Bild, gehört dazu. Auch ein kleiner
Böcklin, Faun zwifchen bunten Säulen, eine Reihe
ftimmungsvoller, virtuofer Kohlezeichnungen mit
ftarkem Bildcharakter von Attilio Sacchetto und
verfchiedene, gut münchnerifch gefehene Än-
fichten aus der bayrifchen Hauptftadt („Viktualien-
markt,“ „Fronleichnamsprozeffion auf dem Ma-
rienplaß,“ „Garten der Staatsbibliothek“ ufw.)
von Charles Vetter. Dann marfchiert aber auch
gleich die Mittelmäßigkeit in Kolonnen heran,
eine Gruppe Königsberger und eine zweite von
Worpsweder Leuten, denen man troß aller „Bo-
denftändigkeit“ und „Gefundheit“ fo entfeßlich
wenig Intereffe abgewinnt. Ein Amerikaner,
Theodore Earl-Butler lehnt fich in Malweife wie
Sujets eng an Monet an (auch er malt ein und
diefelbe Brücke zu verfchiedenen Tageszeiten ufw.)
kommt aber damit fo gut wie gar nicht zur
Äußerung einer eigenen Perfönlichkeit. Dahinter
wirds fchrecklich; man hält es kaum für mög-
lich, daß immer noch Kiefelfche Damen ihr glattes
Lächeln produzieren, Tademas parfümierte Grie-
chinnen pofieren und Röchlings todesmutige
Grenadiere zum 999. mal einen von Feinden
ftarrenden Hügel erftürmen. Muß man folch ein
Bild ausftellen? Kann man es nicht gleich in
das Kafino hängen, für das es beftimmt ift, wenn
es überhaupt gemalt werden mußte? Der Reft,
auf den einzugehen fich erübrigt, ift nicht beffer.
Man fühlt fich nur verpßichtet, von Zeit zu Zeit
auf die Unwürdigkeit hinzuweifen, ausgefudit
Schlechtes vor das Publium zu bringen.

CASSIRER kann man auf keinen Fall vor-
werfen, daß er feine Gäfte mit der Juniausftel-
lung langweilt, im Gegenteil: der, welcher das
Allerneufte fucht, wird ebenfo feine Senfation
erleben, wie der Konfervative mit den wohl-
erzogenften Änfchauungen. Zwei Männer be-
freiten dieVeranftaltung: OskarKokofchka-Wien

und Hans Hofmann-Paris. Kokofchka macht
es dem Befchauer nicht leicht, der über Dornen
und Difteln in den Garten des Verftändniffes
eindringen will. Ungefähr 25 Porträts, meift
halblebensgroße Geftalten, füllen die Wähde des
großen Saales, alle in gleichen, ganz einfachen
Rahmen. Da bricht nun eine Farbenßut über
einen herein — eine Flut nicht an Kraft, nur an
unruhiger Fülle. Alles was die Palette hergibt,
ift auf diefe Hintergründe zufammengewifcht,
Übergänge von Blau über Grün zum Gelb, von
Grau über Blau zum Rofa, irrifierend, ßeckig,
brandig und entzündet, giftgrün bis blutrünftig
Packern und fchillern die Flächen. Und Köpfe
davor, an Munch gelegentlich erinnernd, oft
merkwürdig verdrückt und gequetfcht, der und
jener ftier mit blödem Lächeln, fchwere pfychifche
Belaftung fcheint unerläßliche Grundbedingung.
Dann die Körper, unfagbar unförmlich, mit Armen
unverftändlichen Baues, gelenklos, verwachfen,
gebrochen und falfch verheilt und Hände daran,
fchreckhaft gekrümmte, bald breit wie ein zer-
drücktes Fleifchftück, bald verfchlungenem, blutigen
Gedärm gleichend. Und doch: während man
pch durch das Farbengerinn und -geriefel, die
verfchwimmenden Formen arbeitet, blickt der
oder jener Kopf mit immer größerer Intenfität,
mit wachfendem Ausdruck zu einem hinüber,
man fühlt fich im Bann einer Perfönlichkeit, in
der der Maler tiefe, komplizierte Vorgänge er-
kannt und dem aufmerkenden Betrachter mit-
zuteilen hat. Soviel einen die äußere Form ab-
ftößt: dem Zwang der von den Bildniffen Peter
Ältenbergs oder jenes jungen blonden Mannes
ausgeht, der fo bezeichnend „Der Trancefpieler“
genannt ift, kann man nicht ausweichen. — Da-
nach ift über Hans Hofmann nicht fehr viel zu
fagen, er vermag nur gering zu feffeln mit feinen
Stilleben und Landfchaften, hinter deren ge-
pichter Primitivität, den ungebrochen und fchat-
tenlos gegeneinandergefeßten, grellenFarbflächen
(man denkt an die buntbemalten Häuschen und
Kirchen in einer Spielzeugfchachtel) nicht viel
mehr wie ein vielleicht entwicklungsfähiges de-
koratives Talent zu ftecken fcheint. J. Sievers.

Das KÜNSTLERHAUS plant für den Herbft
eine größere Äusftellung „Das Kind in den leßten
Jahrhunderten“, in der eine Uberficht über die
Entwicklung aller Dinge, die mit dem Leben des
Kindes in künftlerifcher Beziehung zufammen-
hängen, geboten werden foll. Eine Porträt-
fammlung berühmter Perfönlichkeiten in ihren
Kinderjahren foll fich anfchließen. Svs.

AMSTERDAM „Ärti et Ämicitae“ haben
aus Anlaß des erften Befuches der Prinzeffin

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