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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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17. Heft
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Glück, Gustav: Ein neugefundenes Werk Jan Scorels
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0655

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EIN NEUGEFUNDENES WERK JÄN SCORELS

Mit einer Tafel Von GUSTHV GLÜCK

Äuf einer der jüngften Ausheilungen des Wiener Verfteigerungsamtes (Dorotheum)

. erweckte ein Bild, das von dem Sachverftändigen diefer Änftalt der Regensburger
Schule, der Richtung Altdorfers, zugefchrieben worden war, unfere befondere Auf-
merkfamkeit. Der Gegenftand des [tattlichen Gemäldes war die Darftellung Chrifti im
Tempel in einer eigenartigen und merkwürdigen Auffaffung. Befonders reizvoll war
daran die reiche konfequent durchgeführte und Übertreibungen vermeidende Renaiffance-
architektur mit Pilaftern, Tonnengewölbe, Kuppel, Nifchen, auffallend fchönen, in gelber
Farbe gemalten Goldornamenten und ungewöhnlich fein und geiftreich wiedergegebenen
Statuen und Reliefs in Bronze und Stein. Machte fchon die Architektur durch ihre
folgerichtige und gemäßigte Art eine Entftehung des Bildes in Deutfchland unwahr-
fcheinlich, fo paßten zu einem folchen Urfprung fchon ganz und gar nicht die per-
fpektivifch höchft gefchickt angeordneten kleinen Figuren, die deutlich die Hand eines
Niederländers, der bei den Italiern gelernt haben mußte, verrieten. Wilhelm Bode
war der erfte, der — nur nach der kleinen Wiedergabe des Bildes im Verfteigerungs-
kataloge — die niederländifche Art und den Stil Jan Scorels darin erkannte. Da
auch wir die Urheberfchaft Jan Scorels für fehr wahrfcheinlich hielten, haben wir das
intereffante Bild für die Wiener kaiferliche Galerie, die bisher noch kein Werk diefes
Meifters befeffen hatte, um einen mäßigen Preis erworben. Sehr erfreut waren
wir aber, als wir kurz nach dem Ankäufe dasfelbe Bild unter der großen Zahl von
Gemälden Scorels, die Van Mander in feinem „Schilderboek“ erwähnt, mit folgenden
Worten ausführlich befchrieben fanden: „Ick can niet verfwijgen, dat te Haeriem by
d'Heer Geert Willemsz. Schoterbofch, is van hem een uytnemende ftucxken, daer Maria
Chriftum in den Tempel den Simeoni, offert, waer te fien is een.heerlijcke Metfelrije
met een cierlijck verwelf, daer veel vergults oft gülden vercieringhen met der verwe
zijn gedaen, dat wonder heerlijck ftaet, en is daer beneffens feer aerdigh van beelde-
kens, die feer bevallijck te fien zijn.“ (Van Mander ed. Floerke I. p. 278). Es kann
wohl kein Zweifel darüber beftehen, daß unfer Bild mit dem von Van Mander er-
wähnten identifch ift. Der Stil der Figuren ift hier völlig derfelbe wie in den fpäten
Werken Scorels; man vergleiche zum Beifpiel die mit dem Namen des Künftlers und
der Jahreszahl 1530 bezeichnete Kreuzigung Chrifti im Provinzialmufeum zu Bonn, die
Anbetungen der Könige ebenda (aus der Wefendonkfchen Sammlung, von Walter
Cohen bekannt gemacht in der Zeitfchrift für bildende Kunft N. F. XXI. 1909, S. 61) und
im erzbifchößichen Mufeum zu Utrecht, David und Goliath in der Dresdner Galerie
und die heilige Magdalena im Rijksmufeum zu Amfterdam. Die Farbenwirkung ift in
unferm Bilde ganz von den Goldverzierungen der Architektur bedingt, die Van Mander
in feiner Befchreibung befonders hervorhebt; die goldgelbe Farbe kehrt in den Ge-
wändern der Figuren mehrfach wieder und beherrfcht und erwärmt das ganze Bild.
In der Kompofition erfcheint uns hier der Meifter gefchickter, in den Figuren liebens-
würdiger und weniger manieriert als fonft. Das neugefundene Bild beftätigt das Urteil
Guicciardinis, der Scorel einen Meifter nennt, der in der Architektur ebenfo her-
vorragend gewefen fei, wie in der Malerei, und der aus Italien viele Erfindungen und
neue Malweifen nach Haufe gebracht habe. Auch in der Gefchichte des Architektur-
ftückes, die kürzlich in Hans Jansen einen feinfinnigen Darfteller gefunden hat1, möchte
das Bild eine Rolle zu fpielen geeignet fein.

1 Das niederländifche Hrdiitekturbild, Verlag Klinkhardt & Biermann. 1909.

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