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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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23. Heft
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Steinmann, Ernst: Die "Bibliothèque d'arte et d'archéologie" in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0884

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DIE „BIBLIOTHEQUE D’ÄHT ET D’ÄRCHEOLO-

GIE“ IN PARIS Von ERNST STEINMÄNN

Seit der bedeutfamen Rede Wilhelms II. ge-
legentlich des Berliner Univerfitätsjubiläums
ift viel von neu zu errichtenden Forfchungsinftitu-
ten gefprochen und gefchrieben worden, und die
Kaiferlichen Worte haben überall ein weithin-
fchallendes Echo gefunden. Allerdings follen es
zunächft vor allem die Naturwiffenfchaften fein,
denen die großartigen Spenden zum Univerfi-
tätsjubiläum zu gute kommen werden. Daß fich
aber folche Hoffnungen und Pläne auch auf
anderen Gebieten verwirklichen iaffen, daß vor
allem auch die hiftorifchen Disziplinen von einer
ftraffen und weitumfaffenden Organifation den
größten Nußen ziehen können, beweifen u. a.
das hiftorifche Inftitut der Univerfität Leipzig
und das preußifche Inftitut in Rom.

In der Kunftwiffenfchaft hat auf diefem Ge-
biete eigentlich noch alles zu gefchehen. Für
die Erforfchung eines einzigen Künftlers aller-
dings hat Luca Beltrami im Caftello Sforzesco
in Mailand in feiner „Raccoltä Vinciana“ ein
geradezu einzig daftehendes Inftitut gefchaffen,
das uns jedes Jahr mit einem Sammelbande von
Skizzen und Studien über Leonardo befchenkt.
Für Deutfchland bedeutet das Kunfthiftorifche
Inftitut in Florenz doch den erften, erfolgreichen
Schritt auf einem Wege, der uns noch zu fchönen
Zielen führen wird. Ein ähnliches Inftitut, wenn
auch mit viel umfaffenderen Zielen und un-
vergleichlich viel größeren Mitteln wurde vor
vier Jahren in aller Stille von M. Jacques Doucet
in Paris in einem Parterre der Rue Spontini
eingerichtet. Es dürfte jeßt aber der Zeitpunkt
gekommen fein, auch in der Öffentlichkeit von
der internationalen Bedeutung diefer Bibliothek
zu reden, die fie heute tatfächlich fchon befißt.
Monfieur Doucet, der bekannte Sammler und
glückliche Befißer einiger der fchönftenPaftelle von
La Tour und einer unfchäßbaren Kollektion von
Watteau-Zeichnungen, hat feinem Unternehmen
von Anfang an den Charakter einer wahrhaft
fürftlichen Munificenz aufgeprägt. Mehr als ein
Dußend Leute find an feiner Biblotheque d'Art
et d’Archeologie befchäftigt, die heute fchon
über 70 000 Bände, 20 000 Photographien und
5000 Stiche befißt.

Die Sammeltätigkeit der Bibliothek Doucet
umfaßt vor allem drei Gebiete: Documents im-
primes, Documents manuscrits, Documents icono
graphiques. Wie fchon fein Name Tagt, ift diefes
glänzende Inftitut alfo nicht nur für die Kunft-
hiftoriker, fondern auch für die Archäologen ge-
Tchaffen worden. Das ganze Altertum, dieKunft
des Orients, Japan, China, find hier vertreten.

Der Cicerone, II. Jahrg., 23. Heft. 59

Ferner die Kunft des Mittelalters und der Re-
naiffance in allen ihren Zweigen. Der Kunft
des Rokoko ift naturgemäß befondere Äufmerk-
famkeit zugewandt. Für Paris, feine Mufeen,
feine Ausheilungen, Salons und feine Privat-
fammlungen ift eine befondere Abteilung ge-
fchaffen worden. Endlich find auch dieMünzen-
und Medaillenkunde und die Gefchichte der
Buchdruckerkunft in der Bibliothek Doucet
fchon heute mit erftaunlicher Vollftändigkeit ver-
treten. Daß alle nur denkbaren Zeitfchriften
archäologifchen und kunftgefehichtlichen Inhaltes
hier aufliegen, ift felbftverftändlich.

Aber auch Manufkripte werden in der Rue
Spontini gefammelt. Fortdauernd werden in
den Archiven von Paris Abfchriften von Doku-
menten kunfthiftorifchen Inhaltes hergeftellt, alle
nur erreidibaren Nachrichten über Künftler und
ihre Werke werden erworben und klaffifiziert.
Dokumente der Kunft Frankreichs im 18. und
19. Jahrhundert werden befonders eifrig ge-
fammelt.

Von ikonographifchen Dokumenten der Biblio—
theque d’Art et d’Ärcbeologie find vor allem die
großen Kupferftichwerke zu nennen, Sammel-
werke von Galerien, Architekturwerke, Orna-
mentik, Fefte und Schaufpiele.

Da in der Rue Spontini ein befonderes photo-
graphifdtes Atelier eingerichtet ift, das mit allen
Errungenfchaften der Neuzeit arbeitet, fo kennt
auf diefem Gebiete die Leiftungsfähigkeit der
Bibliothek eigentlich keine Grenzen. Der ganze
unermeßlidie Reichtum an Kunftfchäßen, der in
Frankreich zum Teil noch ungehoben in der
Provinz zerftreut ift, foll hier allmählich ver-
einigt werden. So wurden vor kurzem Auf-
nahmen der Skulpturen der Kathedrale von
Chartres gemacht, wie man fie noch nicht ge-
fehen hat. Alle ihre Aufnahmen ftellt dies In-
ftitut Gelehrten und Bibliotheken gegen Um-
taufch zur Verfügung. Befondere Wünfche und
Vorfchläge für Neuaufnahmen finden, foweit es
angeht, Berückfichtigung.

Zum Schluß feien noch die Publikationen der
Bibliothek Doucet aufgeführt. Erfchienen find
bis heute der Index des Mercure de France
und die erften beiden Nummern der Repertoire
d’Art et d'Ärcheologie, welches es fich zur Auf-
gabe gemacht hat, gewiffenhaft fämtliche Auf-
fäße über Kunft und Archäologie zu verzeichnen,
die im Laufe des Jahres erfchienen find. Dies
Repertoire verfendet die Redaktion gratis an
alle, die es zu befißen wün fehen. Es erfcheint
alle drei Monate. Unter der Preffe befinden

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