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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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15. Heft
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Haberfeld, Hugo: Die französischen Bilder der Sammlung Kohner
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https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0619

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DIE FRANZÖSISCHEN BILDER DER SÄMffl-

LUNG KOHNER Von HUGO HHBERFELD

Mit 10 Abbildungen, davon eine auf Tafel

Wenn man in Budapeft, aus der Galerie alter Meifter kommend, wo Gabriel von
Terey den überkommenen Staatsbefit} forgfam verwaltet und glücklich ergänzt,
in die Damjanich-Straße abbiegt, fieht man rechter Hand eine im Stil dem Empire leicht
angenäherte Villa liegen, die angenehm die Flucht der Zinskafernen unterbricht. Es ift
das Haus des Hofrates Dr. Adolf Kohner. Tritt man ein, fo ift der Eindruck, den
man in den heiteren Räumen empfängt, der einer vornehmen, durch Kunft verfchönten
Lebensführung. Zwifchen gutem Mobiliar älteren und neueren Kunfthandwerks ftehen
Gläfer von Galle und Tiffany, japanifche Satfuma, Kopenhagener Tierfiguren, öfter-
reichifche Barockplaftiken, Vernis Martins, Bronzen von Klinger, Maillol, Lederer und
die Marmorbüfte einer Frau von Minne; in edel geformten Vitrinen liegen Plaketten
und Medaillen, alte Spitzen und Kameen -— die beften Exemplare von Jofeph Anton
Pichler —, findet fich englifches Silber, holländifcher Goldfchmuck, Porzellan aus Fran-
kenthal, Meißen und Wien; an den Wänden hängen alte Perferteppiche, zwei „Sieben-
bürger“, befonders reizvoll in ihrer fonoren Pracht.

An den Wänden hängen aber auch Bilder. Und müffen fie fich gleichfalls dem
überall mit Gefchmack durchgeführten Prinzip des Raumfchmucks zunächft unterwerfen,
fo erkennt man aus ihrer großen Anzahl und gewählten Qualität dennoch, daß die
befondere Liebe des Hausherrn ihnen gehört. Man erfährt noch mehr, nämlich die
Richtungen feines Sammlerwillens. Denn mit Ausnahme weniger Bilder, eines frühen,
von Baftien-Lepage abhängigen Uhde, einer kleinen, feingeftimmten Landfchaft von
Conftable, dreier köftlicher Pettenkofen, zweier dekorativer Landfchaften von Emil
J. Schindler, eines „Stahlwerks“ von Conftantin Meunier, eines Waldinterieurs von
Guftav Klimt und einer Winterftimmung von Carl Moll, ftammen alle anderen von
ungarifchen oder franzöfifchen Malern. In der Gruppe der Ungarn find faft alle
Künftler vertreten, die fich entweder in ihrer Heimat oder draußen in Europa Namen
und Anerkennung verfchafft haben. Man begegnet aus der älteren Generation Bildern
von Carl Marko, deffen füßlich glatte Landfchaften auch in Wien beliebt waren, von
feinem Schüler Anton Ligeti, der auf weiten Reifen feine Motive fand und in Budapeft
als Mufeums-Kuftos ftarb, von Geza v. Meszöly, der, in der Zimmermann-Schule der
Wiener Akademie und in München erzogen, rings um den Plattenfee Landfchaften
malte; dann zwei Bildern von Michael Munkäcsy, der zur deutfchen Malerei zuerft als
Nehmender, dann als Gebender fteht, einer großen, in ihrer melancholifchen Abend-
ftimmung etwas fchweren Landfchaft und einer raffigen Studie „Mutter und Kind“;
dann einer akademifch leeren „Allegorie“ von Victor Lot}, der aus Heffen über die
Wiener Rahl-Schule nach Budapeft kam, einem hiftorifchen Genrebild von Julius Benczur,
der im Sinne feines Lehrers Piloty Staatsaktionen aus der ungarifchen Gefchichte
malte, ferner Landfchaften von Guftav Kelety, bekannter als Kunftfchriftfteller denn als
Maler, als welcher er in München Schleichs Schüler war; fchließlich einigen Schaf-
bildern des bekannten Tiermalers Bela Pällik, figürlichen Kompofitionen von Michael
v. Zichy, der als ruffifcher Hofmaler ftarb, von Alexander Liezen-Mayer, der nach
Jahren fruchtbarer Lehrtätigkeit in Stuttgart und München in die Heimat als Nachfolger
Pulszkys zurückkehrte, und der „Lerche“, einem der beften Bilder Pauls von Szinyei
Merfe, der durch die lebten Ausheilungen ungarifcher Kunft in Berlin und München
und durch die monumentale Publikation Lazars in Deutfchland bekannter wurde. Von

Der Cicerone, III. Jahrg., 15. Heft. 44

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