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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

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17. Heft
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Der Kunstmarkt
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Bevorstehende Auktionen
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BEVORSTEHENDE AUKTIONEN

vorragend fchöne Zeichnung und ein kleiner
Teller mitFifchen durch entzückende Glafur auf-
fallen. Erwähnen wir fchließlich noch ganze
Serien großer, prunkvoller deutfeher und italie-
nifcher Beckenfehlägerarbeiten, dann die farben-
prächtigen Gläfer von Venedig und Murano, mit
denen die deutfehen Erzeugniffe der Email-
malerei, wie die Fichtelberggläfer, Willkomm-
humpen und anderes hinfichtlich gleich hoher
Qualität konkurrieren, fo glauben wir wenig-
ftens in großen Zügen ein Bild von der Reich-
haltigkeit des Ausgeftellten gegeben zu haben.

Angefichts folcher Schäße, wie fie erftklaffifche
Äntiquitätengefchäfte als eine Art ftändig wech-
felnder Mufeen den fachmännifchen Befuchern
darbieten, erwacht freilich auch immer wieder
das fchmerzliche Bewußtfein, daß gerade das
Ausland, vor allem Amerika die fchärffte Kon-
kurrenz für unfere Mufeen und die deutfehen
Qualitätsfammler darftellen. Läßt auch die in
den leßten Jahren erfreulich gewachfene Opfer-
willigkeit mufeumsfreundlicher Gönner erhoffen,
daß manch gutes Stück, zumal deutfeher Her-
kunft, dem Vaterlande erhalten bleibt, fo kann
troß alledem auch nicht verhehlt werden, daß
die gefpendeten Mittel noch immer weit hinter
den Bedürfniffen unferer öffentlichen Mufeen
Zurückbleiben. Um fo mehr aber ift es auch zu
begrüßen, wenn die Inhaber unferer bedeutend-
en Antiquitätenhandlungen auch felbft den
vaterländi fchen Verhältniffen nach Möglichkeit
Rechnung tragen, fei es durch günftige Kauf-
bedingungen, fei es durch fchenkungsweife Zu-
wendungen. In diefem Sinne hat auch Kom-
merzienrat Adolf Steinharter fich einen guten
Namen gefiebert, durch mannigfache wertvolle
Schenkungen an deutfehe Mufeen, vor allem an
das Bayerifche Nationalmufeum in feiner Vater-
ftadt, zu deffen hervorragendften Gönnern er
feit Jahrzehnten zählt. —s—

Bevorftehende Auktionen

MÜNCHEN Am 6. Oktober 1911 wird unter
Leitung des Kunfthändlers und gerichtlich ver-
eideten Sachverftändigen Hugo Helbing, München,
die Sammlung des Profeffors Anton Heß, Mün-
chen, in dem Befißtum des verewigten Künftlers,
Luifenftraße 35, verfteigert. Die Villa liegt
idyllifch unter Bäumen verfteckt neben der Villa
Franz von Lenbachs, ein charakteriftifcher, füd-
tiroler Bau, in den achtziger Jahren von Pro-
feffor Romeis erbaut, und birgt in feinem Innern
Kunftfchäße Tirols und Süddeutfchlands.

Der verftorbene Kunftfreund hat fein Haus
nach feinen Kunftgegenftänden erbaut. Schon

feit den fechziger Jahren, alfo zu einer Zeit, als
noch wirklich erftklaffiges deutfehes Kunftgewerbe
an feinem urfprünglichen Beftimmungsort zu er-
werben war, kaufte er in Tirol, Ulm, München
und Oberbayern Vertäfelungen und Möbel auf;
diefen paßte er dann fein Heim an. Auf diefe
Weife entftanden fo vollkommen ftilechte Räume,
wie das gotifche Zimmer, das Wohnzimmer,
das Schlafzimmer und eine Reihe von kleineren
Stuben. Prächtige Vertäfelungen der Gotik und
Renaiffance, meift aus Zirbelholz, verdecken die
Wände; reich eingeteilte Plafonds bilden die
Decken, fchöne Türen und Fenfterverkleidungen
fchließen fich dem Ganzen an. Die gotifche Holz-
vertäfelung um 1500 ift mit gekehlten Leiften-
ftäben eingeteilt; eine Renaiffancevertäfelung
aus Montane (Tirol) von 1576 zeigt dagegen
reiche jonifche und korinthifche Pilafter, die
Türen find mit Intarfien eingelegt; ähnlich durch-
gebildet, jedoch auch mit reicheren Halbfäulen
ift die aus Kurtatfch (Tirol) aus der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts. Reizend ift ein
Jagdfries in einem Zimmer des 17. Jahrhunderts.
Die Möbel: Schränke, Halbfchränke, Betten,

Truhen, Tifche, Stühle, Bänke zeigen uns in zum
Teil auserlefenen und feiten gut erhaltenen
Exemplaren die Entwicklung der füddeutfehen
Möbel von der einfacheren gotifchen Schreiner-
technik mit Flach fchnißereien bis zur architekto-
nifchen, monumental und maffig angelegten Re-
naiffance und herauf zum üppigeren Frühbarock.
Hervorzuheben find einige gotifche Schränke
und Stühle, ein Renaiffance-Halbfchrank um
1520—1530 mit Figurenreliefs in den Spiegeln
(fog. Holbeinfchrank), mehrere fehr große zwei-
gefchoffige, doppelflügelige Renaiffancefchränke
in ftreng architektonifcbem Aufbau mit Intarfien,
zwei Ulmer Truhen, ein Augsburger Kredenz-
fchränkchen, ein großes Barockbett. Dem Ganzen
fügen fich auch vier fchöne Gobelins mit vege-
tabili fchen Darftellungen des 17. Jahrhunderts
ein. Unter den Holzßguren ragt ein großer,
vollftändig altpolychromierter Flügelaltar der
Münchner Schule um 1470—1480 hervor, der
aus der Frauenkirche ftammen foll. Beachtens-
wert ift auch ein bayerifcher Hl. Sebaftian um
1490, fowie zahlreiche reizende Renaiffance- und
Barockengel, Steinzeug, Fayencen, etwas Por-
zellan, Gläfer, Wappenfeheiben, Waffen, Fenfter-
gitter, Zinnkrüge, Bücher, einige Marmorbrunnen
geben dem altertümlichen Heim die Ießte künft-
lerifch-wohnliche Vollendung. Der vornehm
ausgeftattete Katalog mit einem Vorwort von
Profeffor Gabriel von Seidl gibt eine ausführ-
liche Befchreibung der einzelnen Gegenftände,
von denen die wichtigften auf 32 Lichtdruck-
tafeln abgebildet find.

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