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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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4. Heft
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Heitz, Paul: Ein unbekannter Kupferstich des Meisters E S: Maria im Strahlenkranze
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0158

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EIN UNBEKANNTER KUPFERSTICH DES MEI-
STERS E S / MÄRIÄ IM STRAHLENKRÄNZE Von PÄUL HEITZ

Mit einer Abbildung

Maria im Strahlenkränze
Ein unbekannter Kupferftidi des Meifters E S

Wenn man die alten Bände der Biblio-
theken durchblättert,trifft man häufig
fowohl Holzfchnitte, als auch Kupferftiche
im Innendeckel von Handfchriften und
Inkunabeln eingeklebt. Meiftens find es
Unika, die nur durch den glücklichen Zu-
fall ihres weltabgefchiedenen Aufenthalts-
ortes erhalten blieben. Im Laufe der Jahre
konnte ich eine große Anzahl folcher unbe-
kannter Blätter veröffentlichen, wofür fich
ein großer Kennerkreis intereffierte. Nieder-
gelegt find diefe Funde in 25 Foliobänden
meiner Ausgabe der Holzfchnitte, Teig-
drucke, Schrotblätter und Kupferftiche des
15. Jahrhunderts, zu der die namhafteften
Fachgenoffen Texterklärungen lieferten.

Nur feiten haben wir Werke bedeutender
Meifter unter diefen Einblattdrucken; doch
haben fich zwei neue Exemplare fchon be-
kannter Stiche des Meifters E S unter
ihnen gefunden. Die E S-Forfcher wer-
den es freudig begrüßen, daß der 25. Band1
der obenerwähnten Serie einen völlig
unbekannten Kupferftidi des Meifters
bringt. Dr. M. Pfeiffer, Kuftos der Kgl.
Bibliothek in Bamberg, fand das Bild-
chen in dortiger Bibliothek (Kupferftidi:
Mappe 36).

Das Blatt mißt 130X76 mm und ift
leider ftark durch Waffer und Meffer be-
fdiädigt. Die Madonna mit dem Kinde
im Strahlenkränze fteht auf der Mond-
fidiel. Die Figur ift dem Befchauer voll
zugewandt. Ein länglicher Nimbus um-
gibt das Haupt der Madonna, das eine reich
verzierte Krone trägt. Das reiche Haar
umfließt in Wellenlinien die Schultern und
verdeckt zur Hälfte die Ohren. Der Kopf ift un-
verhältnismäßig groß, gut ein Sechftel der ganzen
Körperlänge, und auf die rechte Schulter geneigt.
Die Gefichtszüge find leider ziemlich verdorben,
doch läßt fich erkennen, daß die Nafe lang und
kräftig ift und die Augenlider fchwer find. Die
Augenbrauen find etwas hoch gezogen und die
Pupillen ftehen nicht in der gleichen Ädhfe. Der
Hals ift etwas hölzern, die Hände find fchmal
und knochenlos. Der weite faltenreiche Mantel
wird über der Bruft durch zwei mit einem Band
verbundene Knöpfe zufammengehalten. Einen
Saum finden wir nur vom Hals bis zu den Ell-
bogen, unten fehlt er. Das untere Ende ift

1 Einzel-Holzfchnitte des 15. Jahrhunderts in der Kgl.
Bibliothek Bamberg. Text von M. Pfeiffer. II. Bd. Tafel 28.
Straßburg, 1911.

durch den rechten Arm in die Höhe gerafft.
Das Untergewand hat einen zierlichen Abfchluß
am Hals und läßt ein Stück des Hemdes frei.
Neben der Mondfichel wird ein fpi^befchuhter
Fuß fichtbar, der aber mehr fchwebt als fteht.
Das Jefuskind liegt in fehr natürlicher Stellung
auf den Armen der Mutter und hält in der
läffig herabhängenden Rechten einen Rofen-
kranz, der auch um einen Finger der linken Hand
der Madonna gefchlungen ift. Der rechte Fuß
ift gegen die Bruft der Madonna geftemmt,
während der linke unfichtbar bleibt. Die Backen
find voll und etwas fchief, das Haar in kleinen
Ringellöckchen um die Stirne gelegt. Den Kopf
umgibt ein einfacher kleiner Nimbus. Den Zeige-
finger der Linken fteckt das Kind in den Mund.

Die etwas unförmige Mondfichel liegt auf

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