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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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11. Heft
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Rundschau - Sammlugen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0467

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SAMMLUNGEN

vergeffen. Seltfam fchön ift Gauguins „Ge-
burt Chrifti“, eine großzügige Kompofition in
ungebrochenen, durchdringenden Farben, außer-
dem ift von ihm noch eine feiner berühmten
„Tahitilandfchaften“ da. Von den franzöfifchen
und belgifchen Neoimpreffioniften Signac,
Croß, Luce und Ryffelberghe find die
beiden erfteren nennenswert vertreten, von den
Nachimpreffioniften find teilweife intereffante
Proben von M. Denis, H. Matiffe, Vuillard,
Bonnard, und Guerin anwefend, Matiffens
Stilleben ift gut, aber nicht erftklaffig, von
Vuileard ift die „Dame im blauen Kleid „be-
achtenswert. Den Stiftern ift es vor allem auch
gelungen, einige glanzvolle Plaftiken zu erobern.
Rodins „Kauernde“ ift ein in weiteren Kreifen
fdion bekanntes, geniales Werk, für die „Mahler-
büfte“ dagegen vermag ich mich nicht fehr zu
erwärmen, obgleich ihr viel Bewunderung wider-
fährt. „Le serf“ von Matiffe halte ich für
das Befte, was ich von dem Künftler je gefehen
habe, fern feiner fonftigen doktrinären Art ift
diefe Statue ein Werk reinften und echteften
künftlerifchen Empfindens, angeregt durch die
Antike, aber durchaus modern. Für G. Minne
ift eine „männliche Büfte“ fehr charakteriftifch,
die bis auf die abgehauene Hand voll Haltung
und plaftifcher Logik ift, weniger fagen mir die
übrigen zwei Skulpturwerke des gleichen Autors
zu. Maillols „Epheben“ wird man von den
drei von ihm erworbenen Stücken, der zarten
Empfindung wegen, befonders lieb gewinnen,
doch find auch die beiden Büften vollwertige
Schöpfungen des Meifters. Der franzöfifchen
Kollektion find noch einige Werke anderer Pro-
venienz angegliedert, worunter infonderheit
einige Bilder Conftables hervorragen, fo der
„Steinbruch“ und eine „Landfchaft mit Bank“,
auch eines monumentalen Entwurfes von Hod-
ler zum „Auszug der Freiwilligen“ muß als
einer der markanten Erfcheinungen der Stiftung
befonders gedacht werden. Der bisherigen Samm-
lung foll, wie ich höre, in der Folge noch ein
zweiter Teil angefchloffen werden, der befon-
ders auch die große, deutfche Kunft des 19. Jahr-
hunderts und der Gegenwart berückfichtigen will.

M. K. R.

DIE SAMMLUNG Mme. EDOUÄRD
ANDRE Eine fehr bedeutende Kunftfammlung,
die bis jet^t nur wenigen zur Befichtigung er-
reichbar war, ift durch Legat vor Zerftreuung
bewahrt und der Öffentlichkeit in Ausficht ge-
teilt worden: die Sammlung der Mme. Edouard
Andre, der Witwe des hervorragenden Finanz-
mannes. Mme. Andre war einft felber Künft-
lerin und hat als Nelie Jacquemart, wie fie mit

Mädchennamen hieß, vor vierzig Jahren die
Notabilitäten der eben auferftandenen Republik
porträtiert. Ein Bildnis Thiers von ihrer Hand
befindet fich im Louvre. Später hat fie fich be-
gnügt mit wohlgefchultem Verftändnis und mit
Hilfe des ungeheuren Vermögens das ihr der
Gatte vor zwanzig Jahren hinterlaffen hatte,
zu fammeln; auch von diefer Mme. Andre
bewahrt das Louvre eine Gabe: den kleinen
Altarflügel von Memling mit Johannes dem
Täufer und einem Stifter, den fie zur Ergänzung
eines fchon dort befindlichen Teils des Trip-
tychons, mit der Verlobung der hl. Katharina,
1894 fchenkte. Was fie fammelte, gehört zu
den beften Stücken deffen, was während einer
langen Zeit das Hotel Drouot paffierte, während
einer Zeit, da der Kunfthandel noch häufiger
über Qualitätswerke verfügte. Öfters fand fie
fich in Rivalität mit den Dutuits oder den.Roth-
fchild. Der Malerei blieb ihr Hauptintereffe auch
beim Sammeln, befonders der italienifchen; doch
hat fie berühmte Dinge aus allen Gebieten der
Kunft und des Kunftgewerbes in ihren Befit$
gebracht und mit dem feinen Gefchmack der
Künftlerin ihr Hotel am Boulevard Haußmann
zu einem köftlichen Mufeum gefchaffen.

Mit einem Vermächtnis von über 90 Millionen
Francs ift nun auch diefes Mufeum in den Befit$
des Inftitut de France übergegangen. Der Er-
trag des Kapitals wird der Kunft und der Wiffen-
fchaft in Form von neuen Preifen der fünf Aka-
demien dienen. Mit der Wahl der Erben hat
Mme. Andre auch die Zukunft ihrer Schöpfung
fichergeftellt, ihrem Wunfch Wirkung verfchafft,
fie als Ganzes im gegenwärtigen Rahmen er-
halten zu wiffen. Wir begnügen uns heute,
daraus die Hauptwerke zu zitieren.

Von Mantegna find drei authentifche Bilder
vorhanden: ein Ecce homo, eine Madonna
zwifchen zwei Heiligen aus den Smlgn. Reifet
und Both de Tauzia und ein Triptychon mit
Wiederholungen von Eremitanifresken; aus der
Schule Leonardos ein männliches Bildnis (datiert
1500) von Bernardino dei Conti, Frauenprofile,
Ambrogio de Predis zugefchrieben und eine
mailändifche Madonna. Oberitalien ift ferner
vertreten durch die Namen Domenico Morone,
Schiavone und Bramantino; Florenz durch Aleffio
Baldovinetti mit einer Madonna, Bugiardini
(weibliches Bildnis), einen Paolo Ucello, einen
Cofimo Roffelli und zwei Madonnen Botticinis.
Eine Madonna in der Art Peruginos gibt Be-
renfon als Werk feines Schülers Giannicolo
Manni an; die Verkündigung der fienefifchen
Schule fteht Giovanni di Paolo nahe. Von Luca
Signorelli ein fehr fchönes Tondo: die hl. Fa-
milie mit dem kleinen Johannes. Noch an der

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