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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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12. Heft
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0515

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AUSSTELLUNGEN

Änbauten vornehmen müffen, nicht weniger als
4000 Klöfter; es gibt alfo immer Gelegenheit zu
Begehungen und Anfchaffungen. Da ift es denn
von Intereffe zu beobachten, ob die heutige
Produktion neue Ausdrucksformen gefunden hat,
die einen Stil darftellen. Leider befinden fich
unter den 1100 Nummern der Ausftellung, die
Medaillen nicht mitgerechnet, keine durch Form
oder Gehalt imponierenden Leitungen; wohl
fehr refpektable Arbeiten architektonifcher de-
korativer Gattung fowie kunftgewerblicher, aber
nirgends zeigt fich ein neuer Geift, der etwas
zutage gefördert hätte, was fich dem Mittel-
alter, der Renaiffance oder felbft der Zopf-
periode an die Seite ftellen oder fie gar über-
bieten könnte.

Von Architekturen kann man eine von Con-
ftant Montald mit guten Fresken, „Franziskus
empfängt die Wundmale“ und „Franzikus den
Vögeln predigend“, dekorierte Kapelle von van
de Hoorde noch gelten laffen, während der
Entwurf zur Faffade einer Kapelle in La Hulpe
von Vaes und Creten mit dem winzigen Ein-
gang, der von einem übergroßen Chriftuskopf
von Fabry bedeckt ift, total verfehlt erfcheint.
Von belgifchen tüchtigen Darftellungen biblifcher
Vorgänge zeichnet fich Jacob Smits aus, deffen
Einfendungen ftarke Empfindung und warmes
Kolorit befiljen, Opfomer durch feinen „Jefus
predigt in Lierre“, fowie befonders Leon Fre-
deric, deffen vier Legenden aus dem Leben
des hl. Franziskus in Äuffaffung, Frifche und
Kolorit im beften Sinne des Wortes modern find.

Unter den deutfchen Einfendern, deren Arbeiten
von Herrn Direktor O ft h a u s, Hagen, zufammen-
geftellt worden find, ftehen obenan die farbigen
Kartons zu den Kirchenfenftern der Kathedrale
von Krakau und von St. Nikolaus in Freiburg
von Jozef v. Mehofer. In ihnen zeigt fich
ein eminentes Gefühl für das Darzuftellende,
die Szenen haben Charakter, Proportion und
ein Kolorit, das an die beften Beifpiele der
Kathedralen in Deutfchland, Italien ufw. erinnert,
ohne diefelben fervil zu kopieren. Die Einzel-
figuren der Erzengel haben Körperkraft und
Zartheit der Phyfiognomie zugleich. Mehofer
überragt durch diefe Leiftung all feine Mit-
bewerber. Frankreich hat über 30 Arbeiten
Hypolite Flandrin's (1809—1864) eingefchickt,
die leider in ihrer klaffizierenden Art fehr ver-
blaßt find. Besnard, von dem zwei dem Luxem-
bourg gehörenden Kartons da find, Carriere,
Paul Flandrin wirken nicht befonders. Dagegen
find von dem Holländer J. Toorop fehr charak-
teriftifche Apoftelköpfe fowie andere tüchtige
Werke ausgeftellt, und von feinem Landsmann
J. H. Brom vorzügliche Goldfchmiedearbeiten.

Wenn diefe Kelche, Reliquarien und Kreuze auch
in den äußeren Formen nicht neu find, fo ift
doch deren Ausführung vornehm und gefchmack-
voll in Zeichnung und Tönung. England hat
ein gutes Enfemble, unter dem [ich Arbeiten
von D. G. Rofetti (1833—1898), Burne-Jones
(1828—1882) bepnden; die der Neueren find nicht
von erheblichem Intereffe.

Schließlich fei noch der Einfendung eines Altar-
werkes von Emil Nolde, Berlin, Erwähnung
getan, deffen Ablehnung durch die Jury einen
Konflikt mit dem Organifator der deutfchen Ab-
teilung zur Folge gehabt hat, weil diefer er-
klärte, daß „ohne dasfelbe die ganze Abteilung
auseinanderfalle“. Nun ift ein Teil jenes Werkes
in dem Salon zu fehen; es foll „Die klugen und
die törichten Jungfrauen“ darftellen und ift eine
in Plakatkolorit gehaltene Malerei, der fo ziem-
lich alles fehlt, was zu einem in einer Kirche
aufzuftellenden Gemälde gehört. Wären alle
neun Tafeln angenommen und etwa vor den
Mehrhofer fehen Kartons placiert worden, fo
würde die ganze Kirchenausftellung gefprengt
und die deutfehe Abteilung blamiert worden fein,
was glücklicher weife vermieden ift. Durch das
Vorhandenfein von Arbeiten deutscher Ausfteller
wie Melchior Lechler, Corinth, Vogeler, Lieber-
mann, Klinger, Thoma, Beckmann u. a. fowie
von tüchtigen Entwürfen zu Kirchenbauten von
Peter Behrens, Fifcher, Rings, Schumacher u. a.
gefchmackvollenKultusgegenftändenvonPeterfen
u. a. ift zur Genüge dargetan worden, auf welchem
Niveau die deutfehe Kunft fteht; von diefen
heben fich Sachen wie die von Nolde in un-
erfreulicher Weife ab. F. M.

CÄSSEL Zu der bereits gemeldeten Nach-
richt von der großen Kunftausftellung, die an-
läßlich der Hundertjahrfeier der Stadt Caffel
1913 hier ftattßnden foll, ift nachzutragen, daß
fich nunmehr der Deutfehe Künftlerbund ent-
fchloffen hat, feinerfeits im Orangeriefchloß eine
allgemeine deutfehe Kunftausftellung zu veran-
ftalten. Die Stadtverordneten bewilligten be-
reits eine Summe von 10000 M., während die
königl. Staatsregierung und der Bezirksverband
die gleichen Summen zur Verfügung ftellten.
Außerdem wurden zum Ankauf von Bildern be-
reits 100000 M. gezeichnet.

CHEMNITZ Der deutfehe Künftlerbund
hat für feine diesjährige graphifche Aus-
heilung Chemnilj gewählt, wo man ihm die
Räume der Kunfthütte für die Monate Mai und
Juni überlaffen hat. Zweierlei macht diefe Künft-
lerbund- Ausftellungen heute unentbehrlich: das
Prinzip, durch den Wechfel des Äusftellungs-

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