DOI Heft:
16. Heft
DOI Artikel:Gall, Ernst: Die Abteikirche Saint-Philibert in Tournus: eine kritische Untersuchung zur frühburgundischen Baukunst
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0660
DIE ÄBTEIKIRCHE SHINT-PHILIBERT IN
TOURNUS / EINE KRITISCHE UNTERSUCHUNG ZUR
FRÜHBURGUNDISCHEN BAUKUNST Von ERNST GÄLL
Mit 14 Abbildungen
Älle diejenigen, die die Gefchichte der mittelalterlichen Baukunft auch nur in ihren
. großen Umrißen kennen, wiffen, welche bedeutende Rolle darin St. Philibert in
Tournus fpielt1. In Burgund ift es neben der Krypta von St. Benigne der erfte Bau
größeren Umfanges, den wir heute noch
nennen können. Für diefe Landfchaft wie
überhaupt das ganze Abendland wird unfere
Kirche als die ältefte vollftändig gewölbte
Bafilika genannt, die [ich erhalten hat. Ebenfo
wird in der Gefchichte der Grundrißentwick-
lung Tournus ftets als eines der früheften
Beifpiele für eine Choranlage mit Umgang
und Kapellenkranz angeführt — einige Forfcher
bezeichnen es fogar als das ältefte, das auf
uns gekommen ift. Diefe mannigfaltigen
Thefen follen im folgenden auf ihre Berech-
tigung hin unterfucht werden. Ihre Nach-
prüfung wird dadurch erleichtert, daß in
jüngfter Zeit der Kalk, der faft alle Teile der
Kirche überzog, an einigen befonders wich-
tigen Partien zu Reftaurationszwecken ent-
fernt worden ift. Die Unterfuchung, die vor-
her keine vollftändig überzeugenden Refultate
ergeben konnte, ift dadurch auf weit ficherere
Grundlagen geftellt.
Von einer eigentlichen Befchreibung des
Baues will ich abfehen, da die beigegebenen
Pläne und vor allem die Photographien über
den einfachen Tatbeftand genügend Auf-
klärung geben, zumal eine Anzahl von Ein-
zelbeobachtungen, die im Laufe der Dar-
ftellung wiedergegeben werden, ergänzend
eintreten können.
Die Kirche zerfällt in drei nach Plan und
Konftruktion wohl zu unterfcheidende Teile:
eine doppelgefchoffige, dreigeteilte Vorhalle
mit einem Turmpaar im Weften, das breitere,
1 Man vergleiche Schnaafe, Gefchichte der bil-
denden Könfte IV, p. 510; Kugler, Gefchichte der
Baukunft II, p. 151. Nicht darüber hinausgekommen
find v. Bezold im Centralblatt der Bauverwaltung
1886, p. 142, und Dehio in der Kirchlichen Baukunft
des Abendlandes I, p. 385. Siehe weiter C. En-
lart, Manuel d’archeologie frangaife I, p. 263, 272,
430; Virey im Bulletin Monumental 1903, p. 515,
H. Cure, St. Philibert de Tournus, Paris 1905.
TOURNUS / EINE KRITISCHE UNTERSUCHUNG ZUR
FRÜHBURGUNDISCHEN BAUKUNST Von ERNST GÄLL
Mit 14 Abbildungen
Älle diejenigen, die die Gefchichte der mittelalterlichen Baukunft auch nur in ihren
. großen Umrißen kennen, wiffen, welche bedeutende Rolle darin St. Philibert in
Tournus fpielt1. In Burgund ift es neben der Krypta von St. Benigne der erfte Bau
größeren Umfanges, den wir heute noch
nennen können. Für diefe Landfchaft wie
überhaupt das ganze Abendland wird unfere
Kirche als die ältefte vollftändig gewölbte
Bafilika genannt, die [ich erhalten hat. Ebenfo
wird in der Gefchichte der Grundrißentwick-
lung Tournus ftets als eines der früheften
Beifpiele für eine Choranlage mit Umgang
und Kapellenkranz angeführt — einige Forfcher
bezeichnen es fogar als das ältefte, das auf
uns gekommen ift. Diefe mannigfaltigen
Thefen follen im folgenden auf ihre Berech-
tigung hin unterfucht werden. Ihre Nach-
prüfung wird dadurch erleichtert, daß in
jüngfter Zeit der Kalk, der faft alle Teile der
Kirche überzog, an einigen befonders wich-
tigen Partien zu Reftaurationszwecken ent-
fernt worden ift. Die Unterfuchung, die vor-
her keine vollftändig überzeugenden Refultate
ergeben konnte, ift dadurch auf weit ficherere
Grundlagen geftellt.
Von einer eigentlichen Befchreibung des
Baues will ich abfehen, da die beigegebenen
Pläne und vor allem die Photographien über
den einfachen Tatbeftand genügend Auf-
klärung geben, zumal eine Anzahl von Ein-
zelbeobachtungen, die im Laufe der Dar-
ftellung wiedergegeben werden, ergänzend
eintreten können.
Die Kirche zerfällt in drei nach Plan und
Konftruktion wohl zu unterfcheidende Teile:
eine doppelgefchoffige, dreigeteilte Vorhalle
mit einem Turmpaar im Weften, das breitere,
1 Man vergleiche Schnaafe, Gefchichte der bil-
denden Könfte IV, p. 510; Kugler, Gefchichte der
Baukunft II, p. 151. Nicht darüber hinausgekommen
find v. Bezold im Centralblatt der Bauverwaltung
1886, p. 142, und Dehio in der Kirchlichen Baukunft
des Abendlandes I, p. 385. Siehe weiter C. En-
lart, Manuel d’archeologie frangaife I, p. 263, 272,
430; Virey im Bulletin Monumental 1903, p. 515,
H. Cure, St. Philibert de Tournus, Paris 1905.