Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

DOI Heft:
24. Heft
DOI Artikel:
Rundschau - Sammlungen
DOI Artikel:
Ausstellungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0977

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SAMMLUNGEN o AUSSTELLUNGEN

Intentionen der Öffentlichkeit bekannt zu geben.
Die ausgeftellte Folge zeigt, daß die Komplet-
tierung im Sinne der überall fühlbar werdenden
retrofpektiven Tendenzen vor fich geht und die
hohe Wertung der präimpreffioniftifchen roman-
tifchen Kunftäußerungen zur Triebfeder hat.

Die Vorliebe für diefe fpontane fynthetifche
Kunftfprache hat ihren guten Grund, folange fie
auf das Anregende gerichtet ift und nicht auf
bloßer paffiver Nachempfindung beruht. Ich
möchte daher in diefer Hinficht die Qualitätsan-
fprüche womöglich in die Höhe gefchraubt wiffen.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Kunft-
mufeum diefen par excellence artiftifchen For-
derungen Rechnung trägt. Ich möchte daher
der allgemeinen Wertfchäßung anrechnen, daß
Blätter, wie die Hamlet-Folge von Delacroix,
bei diefer Gelegenheit in den Vordergrund ge-
fchoben wurden. Man muß fich hüten, für die
programmäßige Kunftübung voreingenommen
zu fein, es bleibt aber eine ewige Wahrheit, daß
die Kunft, die gewiffe Probleme mit der ganzen
Kraft des Intellektes anfaßt, den Vorrang vor dem
rein impulfiven Schaffen behalten muß. Deshalb
kann ich einer Kunft, wie der franzöfifchen Illu-
ftration des mittleren 19. Jahrhunderts, nicht die-
selbe Anerkennung entgegenbringen, die ich
einigen Erfcheinungen der heutigen Graphik zolle.

Im allgemeinen läßt natürlich auch der Afpekt
der jetzigen Budapefter Ausftellung die richtige
relative Wertfchätjung erkennen, da fie, die vor-
geftellte Künftlergruppe mit den Modernften er-
gänzend, die letzteren und unter ihnen in erfter
Linie Touloufe Lautrec vorherrfchen läßt. Der
Meifter ift im Kabinett mit einer vorzüglichen
und fehr reichen Kollektion vertreten, die den
ftolzeften Teil der Neuerwerbungen ausmacht.
Nach ihm ift das größte Gewicht auf Forain ge-
legt worden, der in diefem Zufammenhang etwas
monoton wirkt, fo daß man fich 4 bis 5 Blätter
ohne viel Bedauern fchenken könnte. Die Aus-
ftellung läßt, außer den erwähnten, Jules Dupre,
Prudhon, Ingres, Gericault, Raffet, Charlet, Ifabey,
Huet, Barye, Gavarni, Daumier, Manet, Corot,
Monet, Signac, Degas, Carriere, Legros, Willette,
Steinlen, Bonnard, Vuillard, Renoir, Denis, Re-
don, Bernard, Gauguin und Cezanne zu Worte
kommen. Zieht man in Betracht, daß die Sam-
meltätigkeit das ganze Gebiet der alten und
modernen Graphik umzufaffen beftrebt, fo ift
diefer Spezialerfolg mit doppelter Anerkennung
zu verzeichnen. Z. T.

□ □ □

AUSSTELLUNGEN

PARISER HERBSTSÄISON II. Die

Saifon der kleinern Ausheilungen hat vorwiegend
graphifch begonnen. GEORGES PETIT ver-
einigte die Vertreter der „Gravüre originale en
couleurs“ (unter dem Vorfiß Raffaellis), die fich
der raffinierteften Fertigkeiten fowohl bei der
Behandlung der Platte wie bei der Färbung im
Druck bedienen, mit gefuchten Verfahren —
z. B. dem Abdruck eines über zartem Gipsrelief
geformten galvanoplaftifchen Negativs — zu
überrafchen fuchen; im allgemeinen aber immer
wieder mit angeblich neuen technifchen Mitteln
die gleichen alten Effekte bewirken, die mit
Polygraphik nichts mehr zu tun haben und meift
auch auf anderm Wege einfacher und eben fo
gut hätten erzielt werden können. Der kleine
Salon einer Schwarzweißgefellfchaft (Präfidenten
J.Louis Bremond undE.vanMuydenJbeiÄLLARD
ift künftlerifch höher zu bewerten. Im PAVILLON
DE MARSAN des Louvre, dem ftaatlichen Kunft-
gewerbemufeum, hat fich die „Societe de la
Gravüre sur Bois Originale“ zu einer erften Aus-
ftellung eingefunden. Auch hier find wir ver-
fucht, das künftlerifche Ergebnis auf fich be-
ruhen zu laffen, um uns dem Studium der
intereffanten Techniken hinzugeben. Die Pa-
rifer Holzfchneidekunft, die vorzugsweife mit
dem Grabftichel das Holzende bearbeitet, zeigt
fich auf der altbekannten Höhe. Vertreter line-
aren Stils find in Minderheit; der Farbenholz-
fchnitt folgt noch vorwiegend dem japanifchen
Beifpiel. Wenn wir uns nach den intereffanten
Perfönlichkeiten umfehen, fo finden wir fie doch
noch weit eher unter den Vertretern des alten
franzöfifchen malerifchen Stils — Lepere, Jacques
Beltrand, P. E. Colin, Vibert, Lespinaffe — denen
befonders auch ihr Verdienft um das illuftrierte
Buch nicht vergeffen fei; ohne daß wir grund-
fäßlich nach der Eignung diefes Stils für Buch-
illuftrationen fragen wollen. Wenn wir im all-
gemeinen äfthetifche Forderungen der Holz-
fchneidekunft mit den unbegrenztenMöglichkeiten
vorliegender Arbeiten vergleichen, fo zeigt uns
die kleine Retrofpektive des volkstümlichen
Holzfchnittes, der man ein Kabinett eingeräumt
hat, etwas wie die Parallele und Betätigung
einer entwicklungsgefchichtlich bekannten Er-
fcheinung: Wie in den Anfängen des Holz-
fchnittes die notdürftige Tätigkeit der Brief-
maler jenen eigentlichen Holzfchnittftil einleitete
— im Gegenfaß zur völlig bildmäßigen Aus-
fchmückung, die koftbare Bücher erfuhren —, fo
finden wir ihn in diefer fimpeln Imagerie treff-
lich bewahrt. Es handelt fich um jene bunten
Bilderbögen vom Anfang des 19. Jahrhunderts,

933
 
Annotationen