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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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12. Heft
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Karlinger, Hans: Die Neuerwerbungen des bayerischen Nationalmuseums im Jahre 1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0477

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DIE NEUERWERBUNGEN DES BAYERI-

SCHEN NATIONALMUSEUMS INI JAHRE
1912 mit 5 Abbildungen / Von HANS KARLINGER

Tm Laufe des Jahres 1912 hat die Direktion des Bayr. Nationalmufeums einen neuen
JL Saal geöffnet. Von den Renaiffancezimmern mit dem Fuggerftübchen gelangt man
in einen fehr vornehm mit dunkler Täfelung ausgeftatteten Raum, der mit italienifchen
Renaiffancemöbeln geftellt ift. Er foll in Zukunft die Kleinbronzen aufnehmen. Die
auf den Tifchen und Sockeln angeordneten Stücke geben mit ihrer fchönen Patina im
Braun des Mobiliars dem Gemach eine äußerft feine Stimmung.
Was im laufenden Jahr an Neuem erworben wurde, hält den Zugängen des Vor-
jahrs etwa das Gleichgewicht. (Vgl. Cicerone
1912, Heft 10, S. 377- 383.)

Befondere Berückfichtigung fand wieder
— und zwar in noch höherem Maße —
die Ergänzung der keramifchen Sammlung,
daneben wurde heuer der Plaftik, ins-
befondere der Holzplaftik, große Sorgfalt
zugewendet. So wächjt von Jahr zu Jahr
den Spezialfammlungen bedeutendes Stu-
dienmaterial zu; hier und dort ergänzend
und bereichernd.

Der Cicerone, V. Jahrg., 12. Heft 34

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So hat der Abteilung für Holzplaftik
bisher ein Stück gefehlt, wie es der neue
Riemenfehneider repräfentiert(Abb. 1). Eine
St. Sebaftiansfigur, wenig unter Lebens-
größe, in der Manier der Spätzeit Til
Riemenfehneiders, aber mit der ganzen
Bravour des fränkifchen Bildfchni^ers. Der
Akt erinnert in feiner — im beften Sinne
des Wortes — fpätgotifch empfundenen
Behandlung an den Adam vom Würz-
burger Liebfrauenportal im Luitpold-Mu-
feum; die dramatifche Pofe und der
rein als typologifches Moment gefchilderte
Schmerzausdruck des Gefichts zeugen wie-
der einmal für das hohe Stilbewußtfein bei
den guten Werken des Würzburger Mei-
fters. Denn die Sebaftiansfigur hat nicht
bloß die technifch gefchickte Manier, die
den ganzen Riemenfehneiderkreis fo fehr
verleiden kann, fondern auch den großen,
glanzvollen Rhythmus, der z. B. dem Sche-
renberggrabftein oder dem Bamberger Hein-
richsgrab etwas ungemein ausdrucksvolles,
wenn man fo fagen darf, für die Spät-
gotik „klaffifches" verleiht. Der Figur fteht

Abb. 1. RIEMENSCHNEIDER, St. Sebaftian
 
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