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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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22. Heft
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

Himmels fingend). Es finden [ich ferner die ganz
fpäten Entwürfe zu Dantes „Divina Commedia",
von denen nur ein paar über das erfte Stadium
hinausgekommen find. Eine ganze Anzahl klei-
ner, geradezu zierlicher Bilder in faft venezia-
nifcher Farbenfreudigkeit find auch vertreten,
die er „unter dem Zwange des ,Dämon' Tizian
gefchaffen", wie er fich felbft ausdrückte. Auch
feine teilweife Abhängigkeit — troß allem! —
von Geiftern feiner Zeit wie Flaxman und Stot-
hard, wird aus einigen der vorgeführten Blätter
klar, in denen fein eigener Genius faft völlig
zu fchlummern fcheint. Eine feiner innerlichften
Schöpfungen aber, die „Geburt Chrifti", ein Tem-
peragemälde auf Kupfer („Tempera" in feinem
befonderen Sinne natürlich verftanden), das leider
fehr fcblecht erhalten ift, läßt all feine befondere
Größe und Bedeutung erkennen: Unfichtbares
fichtbar zu machen, in diefer Welt fchon einen
Blick in die Ewigkeit und ihre unfterblichen Kräfte
zu tun. Das wird vor allem durch den Rhyth-
mus, diesen unmittelbarften Beweger des wahren
Künftlers, erreicht. Im Klange der Sphären fingt
fein Herz und fein Biut, und fo fließen ihm die
Linien zu Geftalten und Gruppen zufammen, die
von dem Urgrund des Seins Kunde tun, wie es
fonft nur die Mufik ganz großer Meifter vermag.
Auf diefem Bilde, auf dem das Chriftuskind in
einer Gloriole, den fich fehnfüchtig ihm, dem Heil,
entgegenftreckenden Armen der Elifabeth zu-
fchwebt, wie von einem innerenMüffen getrieben,
währendMaria, die Gebärerin, zufammenfinkt, auf
ihm gehen und kommen die Linien in nimmer-
müden, ftets neue Beziehungen eingehenden Kur-
ven, als fchaute man in den Himmel felber, deffen
Stern fo magifch leuchtend in die Hütte des Ge-
fchehniffes blickt. Ich darf hier vielleicht er-
wähnen, daß diefesBild (neben einigen anderen)
als IHuftration zu einem Effay über William Blake
erfchienen ift, den ich im Septemberheft des
„Hochland" (München) veröffentlicht habe. F.
ROTTERDAM. Die „Hollandsche Teeken-
Maatschappij" hatte feither ihre regelmäßigen
Ausheilungen im Haag veranftaltet. Diefes Jahr
wurde fie zum erften Male nach Rotterdam ver-
legt, ein Zeichen dafür, daß die Refidenz nicht
mehr den Vorzug befißt, als Kunftzentrum zu
gelten. Die hervorragende diesjährige (38.) Aus-
heilung ift international; vondeutfchenKünftlern
find H. v. Bartels -f-' Prof. H. Hermann-Berlin,
von anderen Ausländern Ifaak Israels-Paris
und Xaver Mellery-Brüffel befonders hervorzu-
heben. Eine eingehende Befprechung der inter-
effanten Veranftaltung wird im nächften Heft
erfolgen. R. B.

WIEN Die Ankündigung des Kunftfalons
HELLER, die eine Serie von Ausheilungen unter
dem Obertitel „Die neue Kunft" verheißt, hat
den gleichnamigenDarbietungen etwadesMünch-
ner Kunftfalons Golß vorerft nur den program-
matifchen Ton abgelaufcht; zumindeft die erften
Ausheilungen der Reihe vermochten ihn kaum zu
rechtfertigen. Denn die Arbeiten Grete Wolfs
und Walter Fürfts müffen fich i. a. mit der recht
unperfönlichen Charakteriftik befcheiden, daß fie
die Grammatik der jeßt gebräuchlichen Formen-
fprache mit einiger Gewandtheit beherrfchen.
Immerhin verraten einige Dekorationsfkizzen und
Figurinen des zweitgenannten Künftlers eine fpe-
zielle Begabung, die von der bühnenkünftlerifchen
Tätigkeit Walfers manche Anregung empfangen
haben mag. — Die zweite Veranftaltung der
Reihe brachte eine KollektivausfteHung des be-
kannten Illuftrators Alaftair; ihr foll demnäciift
eine Ausftellung von Bildern Cammerlohcrs
und Wachsplaftiken Lotte Prißels folgen.
K. R.
WIESBADEN Im KUNSTSALON BANGER
ift eine intereffante Kollektion von Friß Kalt-
waffer ausgeftellt. Koloriftifch intuitiv Erfaßtes.
Bei ftarkem Impuls eine ftrenge Durcharbeitung
in technifcher Hinficht. Etwas Farbenfreudiges,
Blutvolles. Stilleben, fachlich gemalt, mit be-
wußtem Inftinkt für Kontrafte der Steigerung
innerhalb eines Tons: Das auf ein fchimmerndes
Weiß getriebene Grau des Gefieders einer Reb-
huhnbruft gegen das Grauweiß einer gekalkten
Wand. Auch fonft intereffante Farbenzufammen-
ftellungen. Weißlich filbrige Fifche, Materialtöne
von Meffing,Töpfereien. Kultivierter Gefchmack,
der fich auch in den Bildniffen und Aktftudien
durchfeßt. In den Bildniffen kämpft manchmal
noch eine naturale Rückfichtslofigkeit mit einem
ftark durchbrechenden Stilgefühl, ein Kampf, den
man nicht zu rafch beendet wünfehen möchte,
da feine Phafen noch manche feffelnde Wendung
verfprechen. Vorläufig ift ein gegen graues
fteigendes Gewölk gefeßter, weiblicher Studien-
kopf das Feinfte und Reiffte, was der Künftler
auf diefem Gebiete gefchaffen. — Weniger er-
freulich wirkt die Exlibris-Ausftellung. Ein un-
fchuldiges Durcheinander von Kunft und Nicht-
kunft. Vor allem in der Begriffgebung des der-
zeitigen Standes der Dinge unzureichend; ob-
wohl einzelne führende Namen: Welti, Geiger,
Orlik ufw. eingeftreut find. M. E.
n n n

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