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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 4
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Ein schwedischer Vorschlag über die Zukunft der Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0114

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Kunft politik

luftmufeum der Kunft, wobei die bekannte
Anlage von „Skansen“ Martin vorgefcßwebt
haben möchte. Diefen Kunftpark denkt er fiel)
als 3iel und üreffpunkt aller Gefellfcßaftsklaffen,
und wenn man il)m nod) etwa ein Stadion
oder einen Sportpark angliedere, fo würde die
Sozialifierung der Kunft dadurch nur noch ge-
winnen.
Dies Pavillonfyftem ift unftreitig ein anmutiger
Gedanke. Mufeen in enger Verbindung mit
lieblicher Natur, wo die abtötende Überfüllung
der Säle und die unvermeidliche Übermüdung
des Befchauers in HIegfall käme: eine ver-
lockende Äusficht. Und vielleicht doch mehr
als eine Utopie. Martin beruft fiel) darauf, daß
die 3eit der großen Erwerbungen für die
Mufeen unwiderruflich vorüber fei; damit
fchränkt fiel) ihr HIettbewerb beträchtlich ein,
und ihre Mittel werden für eine neue Hufgabe
verfügbar: für die erhöhte Ausnutzung der
Kunftwerke. Der Plan ließe fiel) fogar in der
Hleife ausbauen, daß die von Martin abge-
wiefenen Intereffen der Forfcßung dabei feßr
gut auf ihre Rechnung kämen, indem die Pa-
villons durch ein ganz der Kunftgefcßicßte ge-
widmetes Gebäude ergänzt würden, das dann
die jeßt üblichen üotenkammern der Magazine
erfeßen würde. Das wäre dann fo ziemlich
der vollendete Gegenfaß zu jenen Riefenkunft-
depots vom Uypus des Louvres, und daß diefe
unzweckmäßig, unfozial und im Grunde uner-
erträglicß find, darüber befteßt woßl Einigkeit.
(Held) eine Erfrifcßung des Huges, welch
eine Verjüngung des künftlerifcßen Aufnahme-
vermögens es bedeutet, wenn man aus den
Abteilungen des Üßermen-Mufeums in den
füllen weiten Klofterßof tritt und den Blick in
feinen rußigen großen Formen und feiner Vege-
tation badet, das ßatwoßl feßon jeder Befucßer
diefer Sammlung beglückt empfunden — und
Erlebniffe diefer Art beftätigen, daß in dem
Martinfcßen Vorfcßlage ein gefunder Kern fteckt.
adr.
Vom Propagandawert der Kunft
Unter den vielen Ungefcßicklicßkeiten, deren
ganze üragweite uns erft jeßt langfam auf-
zudämmern beginnt, fteht die Gleichgültigkeit
obenan, mit der wir die Bedeutung der Kunft
für die kulturelle Propaganda betrachtet haben.
Es ift durchaus nicht zuviel gefagt, wenn man
behauptet, daß die Liebe, deren fiel) im ver-
soffenen Kriege Frankreich in der ganzen Hielt
erfreute, zum guten Ueile, zu einem feßr großen
üeile, auf feiner Gefcßicklicßkeit in der Kultur-
propaganda durch Kunft begründet war. Hier

Paris kennt, weiß ganz genau, daß der Parifer
Spießer für Manet oder Cezanne genau fo wenig
übrig hat, wie fein deutfeßer Bürgergenoffe. Er
erfreut fiel) an diefen Dingen nicht, er geßt
lieber in den „Salon“ und erquickt feine Nerven
an Nuditäten und ähnlichem Kitfcß, wie ißn
die Sichel und Kiefel bei uns vielleicht noch
etwas gefcßmacklofer, aber fachlich durchaus
nießt fcßlecßter gemalt haben. Das Leben der
großen franzöfifeßen Impreffioniften ift zunäcßft
kein Rofenpfad gewefen, und wenn man etwa
Durets Erinnerungen an die Impreffioniften ge-
lefen hat, weiß man ganz genau, daß die Ma-
nets und Monets für 40 und 50 Frcs. das Stück
und in befferen 3eiten für 100 Frcs. das Stück
zunäcßft kaum Käufer fanden. Hlir erinnern
uns an einen Befucß, den wir beim alten Durand-
Ruel machten, bei dem er gefpräeßig allerhand
Lebenserinnerungen auskramte. Er wohnte zu-
erft in einem kleinen gimmer und hatte hinter
feinem Bett und unter feinem Bett die zu folcßen
Preifen gekauften großen Impreffioniften, die fieß
fürchterlich aufftapelten, weil fie ißm niemand ab-
neßmen wollte. Die Menfcßenfeeie wandelt fiel)
nicht, und der Durcßfcßnittsfranzofe denkt heute
noch genau fo, wie er damals dachte. Aber die
politifcße Klugheit des Volkes ift eine fo große,
daß felbft die Maffe gelernt hat, ißre wahren
Gefüßle zu unterdrücken und fieß mit dem Ruhme
ißrer großen Meifter nach außen hin zu fcßmücken,
als mit einem Ruhme der ganzen Nation. So ift
etwa Rodin bis wenige jaßre vor feinem Code
keineswegs der Liebling feines ganzen Volkes
gewefen, feßr angefeßene 3eitungen und 3eit-
feßriften warfen ißm beifpielsweife fortwährend
vor, daß er Staatsgelder vergeude. Der alte
Degas war fo verbittert, daß er grundfäßlicß
dem Befucßer nießt öffnete, er kam in Filz-
pantoffeln zum Guckloch, und wenn er den Be-
fueßer nießt kannte, fcßlicß er ebenfo geheim-
nisvoll wieder zurück. Aber jeßt haben wir die
großen Parifer Degas-Auktionen als ein natio-
nales Ereignis erlebt, an dem fieß die ganze
Hielt, befonders Amerika, beteiligte. Als der
Krieg ausbraeß, hatte Frankreich nichts Eiligeres
zu tun, als aus öffentlichem und privatem Befiß
die Meifterwerke Rodins zufammenzubringen
und in der Schweiz eine Eliteausftellung zu
machen. Alle anderen großen franzöfifchen
Meifter folgten. Überall in der Hielt von
Cßriftiania bis St. Franzisko wurden Vereine für
franzöfifeße Kunft gegründet und entfalteten
eine ungeheure HIerbetätigkeit. Es konnte gar
nießt anders fein, als daß die ganze Hielt über-
zeugt war, in den Kampf der Kultur gegen die
Barbarei eingreifen zu müffen. Sogar die Ja-

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