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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 7
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Uebe, F. Rudolf: Der Kunstbesitz der deutschen Fürsten, [4], Kunstschätze der Herzöge von Anhalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0207

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Der Kunftbepfe der de u t f d) e n Fürften

— geradezu magaziniert und ohne jegliche Pflege, ofme genügende Vorkehrungen gegen
Feuersgefatjr oder Diebftahl, derObfmt eines pofangeftellten überlaffen, abfeits großer Ver-
kehrswege — der Befucher wird im Cempo einer Schloßbfid}tigung durch die 3irr,mer
„geführt“.
Nicht viel beffer ift es um die zweite gefdpoffene Sammlung beftellt, um die Gemälde-
fammlung in der Amalienftiftung in Deffau. Die Prinzeffin Amalie hinterließ 1793 ihre
Gemäldesammlung von 700 Nummern, in der der Nachlaß der Herzogin von Kurland
und mehrere Frankfurter und Mainzer Privatfammlungen zufammengekommen waren,
diefer wohltätigen Stiftung, und dort bedecken nun im Obergefchoß des paufes die
Bilder ungeftört die (Hände. Laut Baedeker ift ja die Sammlung zu beftimmten 3eiten
geöffnet, aber natürlich verirrt [ich nur ein irgendwie intereffierter Fremder dorthin,
ünd das ift um fo mehr zu bedauern, da gerade im Amalienftift die deutfd)e Kunft
des 18. Jahrhunderts in ihrer Gefd)loffenl)eit befonders gut ftudiert werden kann. Ich
erinnere mich noch, mit welchem Eifer Karl Voll in München ftets auf die im Amalien-
ftift vorborgenen Kunftfchätje fuuwies: „Hlenn Sie mal 'runter kommen, fteigen Sie ja
in Deffau aus!“ Neben 300 deutfehen Gemälden faft 200 polländer, über lOOflämifche
(Herke, der Reft italienifche und franzöfifche Schule.
In der Bibliothek des Bel)ördenhaufes find dann 377 pandzeiefmungen deutfeher
Schule aus dem 15.—17. Jahrhundert im vollften Sinne des (Hortes verwahrt und dadurch
fo ziemlich der Öffentlichkeit entzogen. Die kunftgefchichtliche Bedeutung diefer beiden
Klebebände aus Schwarzburg-Arnftädter Befitj — durch Erbgang im 18. Jhrh• an An-
halt-Bernburg liegt in der ftattlichen Reihe altdeutfcher Fjandzeichnungen des 16. Jahr-
hunderts, die durch die Publikation Max J. Friedlaenders (Stuttgart 1914) der Kunft-
wiffenfehaft nähergebracht find.
Man vergegenwärtige pch: fünfeinhalbhundert Bilder im gotifchen Fjaufe, 700 im
Amalienftift, die Fjandzeichnungen und Kupferftiche, weiterhin die (Höriger Antiken-
fammlung und die Glasfcheibenfammlung (Franz war auch der erfte bedeutende Sammler
von Glasgemälden) — und das alles nicht im Privatgebrauche der herzoglichen Familie,
fondern als felbftändige Sammlungen — magaziniert, ein totes Kapital, ohne Nutjen
für die Bevölkerung, nur zufällig und gelegentlich für die LOiffenfchaft herangezogen
(der erfte und letzte Katalog über die Sammlungen des gotifchen paufes von 1818!).
Daß es fiel) bei diefen 1600 bis 1800 Kunftwerken nicht nur um Nummern handelt,
mag der pinweis erhellen, daß der perzog zu der Brügger Ausftellung 1902 elf Nieder-
länder leihen konnte, zur kunftgefd)id)tlid)en Ausftellung Erfurt 1903 gingen 17 alt-
deutfepe Gemälde, und in Darmftadt 1914 wurden 31 Bilder der deutfehen Barockzeit
und 24 ülerke der Goldfchmiedekunft vorgeführt. Bei diefen Aufzählungen wurde der
private Kunftbefifcj, der in den Sd)löffern und Palais in Deffau, Hlörlit}, Oranienbaum,
3erbft, Biendorf und Ballenftedt aufgeftellt ift, nicht einmal berückfid)tigt.
In Anhalt gruppierte fiel) bislang die öffentliche Kunftpßege um den Kunftwart, dem
neben der Denkmalpflege noch die Leitung des Kunftvereins (Vorträge und Aushei-
lungen in der Kunfthalle) übertragen ift. Außerdem gibt es noch ein „Landesmufeum
der Stadt Deffau“ (hauptfächlid) hiftorifdpe und naturkundliche Sammlungen) in einem
Meffelbau, der aber urfprünglid) als peim eines Kunftfreundes gedacht war. Ift.
„Sozialifierung“ die Parole der 3ed, fo füllte man am eheften in Anhalt die Kunft-
fammlungen „fozialifieren“. Aufgabe der neuen anhaltifchen Regierung, die die Volks-
bildung als eine ihrer vornehmften Aufgaben anfiel)t, ift es, bei der Abfindung des

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