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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 11.1919

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Heft 12
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Uphoff, Carl Emil: Künstler, Kunst und Staat
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https://doi.org/10.11588/diglit.21394#0386

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Künftler, Kunft und Staat

Das oberfte Gebot der Kunft lautet: Jedes vom Künftler-Menfcpen gefd)affene dlerk
fei ein umfaffendes 3eid)en weltumfaffender Perfönlid)keit.
Der Staat von geftern h>at fiep um diefe Gebote erficptlicp niept gekümmert. Er pat
die Perfönlicpkeit bekämpft und das Fferdenwefen gezüchtet. Er pat den zur Umfaffung
der dielt beftimmten Menfcpen zur Einordnung in feine engen Grenzen gezwungen.
Er pat der Perfönlicpkeit in fiep das le^te und oberfte 3iel gefteckt. Er pat vom
Künftler-Menfcpen verlangt, ftaatlicpe, national begrenzte Kunftwerke zu geftalten. Er
pat die Staatsuntertanen beftimmt, die Künftler und Kunftwerke, die fein Verlangen
niept erfüllten, als ftaatsfeindlicp, fremd, ausfällig zu betraepten und zu bepandeln.
Er pat die Perfönlicpkeiten und ipre dlerke unterdrückt und die üntertanenmenfepen
und ipre dlerke gefördert.
Der Staat und Staatsmenfcp, der Obrigkeitler und Untertan pandelte pierin ganz
folgerichtig, dleil er fiep in feinen Crägern, den gottbegnadeten und den befoldeten,
als menfcplicpen Endzweck betraeptete, fo mußte er das befeinden, was über die
Staatsgrenzen pinauszielte. Es war ein gefäprlicpes Sprengmittel, welcpes das Staats-
gefüge bedropte.
Es ift dem Staat niept gelungen, das Sprengmittel zu befeitigen. Es konnte ipm
niept gelingen, denn da, wo der Menfcp Perfönlicpkeit ift: in feinem Füplen und Denken,
fpottet er aller Grenzen der 3eit und des Raumes. Nie pat ein Staat das Geiftige
der Menfcpen vollends beperrfept und nie wird ipm die reftlofe Beperrfcßung ge-
raten. Im Gegenteil! Stets, wenn eine Krifis zwifepen Staat und Geift zur Entfcßeidung
auf Cod oder Leben perausfordert, ftets, wenn der Staat den Ffößepunkt feiner Macßt
erlangt pat und der Geift feßeinbar weprlos am Boden liegt, ift es der Geift, der den
Staat im entbrennenden Ringkampf überwindet.
Dies kann niept anders fein. Und zwar despalb niept, weil der Staat nießts mepr
und nießts weniger ift als eine Entgleifung des Menfcpen vom (liege zur vollendeten,
weltumfaffenden Perfönlicpkeit auf den dieg zum unperfönlicßen Fierdenwefen. Der
Staat ift alfo kein Produkt eines bis in die lejjte Konfequenz klaren dlollens, fondern
das Ergebnis eines Irrtums, der, von einem Ceile der Menfcpen kaum begonnen, vom
anderen Beile alsbald wieder eingefepen und bekämpft wird. Despalb gibt es keinen
Staat, der niept von Anbeginn den Keim für feinen Verfall, die Revolution, in fiep
trüge — die Revolution, verkörpert durep die Perfönlicpkeiten. Und es läßt fiep voraus-
fagen, daß die Staaten immer kurzlebiger fein werden, weil die Menfcpen das Gebot:
„Sei Perfönlicpkeit!“ mepr und mepr erkennen und erfüllen lernen.
Es ift die menfcplicpe Aufgabe des Künftlers, der Menfcßßeit durep praktifepes
Beifpiel die Bedeutung der Perfönlicpkeit immer eindeutiger zu zeigen und fie auf
diefe dleife — Perfon um Perfon — auf dem die ge zur Individualität, d. p. zur welt-
umfaffenden, dielt in fiep bergenden Menfcplicpkeit vorwärts zu bringen. Es ift in der
Erfüllung diefer Aufgabe des Künftlers Scpickung, im Einblick auf den Staat als den
Repräfentanten der Gerdenwefen Revolutionär zu fein! Icß fage ausdrücklich „es ift
des Künftlers Scpickung‘‘, um zu zeigen, daß es niept in feinem oder anderer Menfcpen
Belieben liegt, feine revolutionäre Beftimmung (gegenüber dem Fjerdenwefentum) zu
befeitigen. Sie wird vielmepr fo lange beftepen, als es noep unperfönlicpe Menfcpen
und ipre Inftitutionen gibt.
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