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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 1
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Josephi, Walter: Der Kunstbesitz der deutschen Fürsten, [5], die Kunstschätze des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0050

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Kunftpolitik

gewähren, wenn er verkaufen will. Der
Schmuck der Repräfentationsräume des Schwe-
riner Schloffes, fowie die gefamte Einrichtung
des Chronfaales wird vom Großherzog dem
Staat folange überlaffen, als diefe Räume
unverändert bei Beftand bleiben und damit
ihren jetzigen Charakter bewahren. Ebenfo
überläßt der Großherzog dem Staat die im
Schweriner Schloß befindliche ttlaffenfamm-
lung, folange fie Mufeumszwecken dient und
damit der Öffentlichkeit zugänglich bleibt;
doch behält fich der Großherzog vor, jeder-
zeit einzelne Gegenftände zurückzunehmen.
5. Der Staat erkennt das Eigentum des Groß-
herzogs an den im Mufeum aufgeftellten
Kunftwerken an, doch können fowohl der
Staat wie auch der Großherzog nach dem
1. Januar 1920 innerhalb Jahresfrift die Über-
nahme durch den Staat verlangen gegen
3ahlung von 9 Millionen Mark in Gütern,
Forften und bar.
4. Aus dem Marftall gehen die hiftorifchen Ge-
fährte und die Galawagen nebft den hifto-
rifchen Gefchirren auf den Staat über.
Selbftredend ift die für die Allgemeinheit wich-
tigfte Beftimmung die dritte, denn die ganze
Gemäldegalerie, das Münzkabinett und ein Ceil
des Kunftgewerbes wie auch der Vorgefchicht-
lichen Sammlungen im jetzigen Mecklenburgifchen
Landesmufeum ift damit als Privateigentum des
Großherzogs anerkannt. (Der größere Ceil des
Kunftgewerbes und der Bodenfunde ift ftaatlich.)
Da von jener auffcßiebenden Klaufel, die aus
praktifcßen Gründen eingefügt war, nach bei-
derfeitigem (Xlillen Gebrauch gemacht werden
wird, fo ift das Mufeum der Fjeimat und der
Öffentlichkeit gerettet. Die Feftfe^ung des Kauf-
preifes zeugt von einem fehr großen Entgegen-
kommen des Großherzogs, da er von beiden
Parteien als ein Minimalpreis angefehen wurde
ohne Berückfichtigung der Änderungen der
Marktverhältniffe in den lebten Monaten.
Ebenfo muß dankbarft das Entgegenkommen
des Großherzogs bei den Beftimmungen über
die Repräfentationsräume und die üüaffenhalle
anerkannt werden. 3war als Ganzes ift die
Ähnengalerie mit ihren vielen in die CQände
eingelaffenen Fürftenbildniffen keine erfreuliche
Erfcheinung, aber unter diefen Bildniffen find
doch eine größere Anzahl hervorragender öüerke
des Rokokomalers Matthieu, der durch das
Steinmann-Cüittefche Cüerk1 feine beachtens-
werte Stellung in der deutfchen Kunftgefchichte
gefunden hat, und mit dem Chronfaal verbleiben

1 Verlegt bei Klinktjardt & Biermann, Leipzig 1919.

zwei fchöne Ärbeiten Franz Krügers und Friedrich
Kaulbachs dem Staat; ebenfo erhält der Staat
mit der Äusftattung der tüaffenhalle im Schwe-
riner Schloß eine recht beachtliche Sammlung,
der allerdings die Beziehungen zu Mecklenburg
fehlen, da fie in den fünfziger Jahren des lebten
Jahrhunderts von zwei Berliner Privatfammlern
angekauft wurde. Sie ift befonders reich an
fchönen eingelegten Jagdwaffen des 18. Jahr-
hunderts.
Recht bedauerlich ift, daß die fchöne groß-
herzogliche Porzellanfammlung durch die Aus-
einanderfet^ung zerriffen wird. Sie ift vom
Fjerzog Chriftian II. Ludwig zufammengebracht
worden, und zwar faft ausfchließlich aus Meißen,
und fo enthält fie prachtvolle Erzeugniffe der
IJerold- und der Kändlerzeit, während die fpä-
tere 3^it völlig fehlt, da die Sammlertätigkeit
mit dem Code des Fjerzogs jäh endete. Güahr-
fcheinlich aus Gründen perfönlichen Gefchmacks
waren nur die Gefchirre der Fjeroldzeit ans
Mufeum abgegeben worden, während die Stücke
der Kändlerzeit, vor allem die Figuren, im Schloß
verblieben, öüäßrend aber bisher jederzeit die
Möglichkeit eines Ausgleichs und Austaufctjs
beftand, werden jeljt die beiden doch To eng
zufammengehörenden Ceile diefer wundervollen
Sammlung endgültig auseinandergeriffen. hof-
fentlich gelingt es, die maßgebenden Perfön-
iichkeiten zu einem Austaufch zu bewegen, der
beiden Sammlungsteilen ihre Einfeitigkeit nimmt.
die fchon diefer Fall zeigt, ift der Beftand
der dem Großherzog verbleibenden Kunftwerke
ein recht beachtenswerter, wenn auch die im
Volksmunde umgehende Bewertung des fjaus-
rats in den Schlöffern weit übers 3>el fchießt.
Im Schweriner Schloß, aber auch in Ludwigs-
luft, befinden fich prachtvolle Rokoko- und
Louis XVI.-Möbel und fonftige kunftgewerbliche
Erzeugniffe diefer Perioden; das fchlichte Do-
beraner Palais ift voll von ausgezeichneten Em-
pire- und Biedermeierftücken vornehm-bürger-
lichen Charakters. Sehr fchöne Edelmetallfachen
birgt die Silberkammer des Schweriner Schloffes,
darunter die bekannte Lüneburger Kanne von
1590, die nur durch 3ufad dem Großherzog
verbleibt, weil fie vor einigen Jahren aus dem
Mufeum zurückgezogen wurde. Reich find auch
die Schlöffer an tüirkteppichen, darunter drei
aus der Reihenfolge nach den Kartons von Raf-
fael, während der Beftand an wirklich wert-
vollen Gemälden ein fehr geringer ift.
Das mecklenburgifche Volk kann alfo mit diefer
Äuseinanderfe^ung voll zufrieden fein: es ver-
liert nicht nur nichts, fondern es gewinnt fogar.
Außerdem darf man bei dem Intereffe des Groß-

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