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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Schmidt, Robert: Ein höchster Porzellan-Service mit Darstellungen aus einem französischen Singspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0141

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Ein F)öd)fter Porzellan-Service mit Darftellungen
aus einem franzöfifd)en Singfpiel MLRZlZ!eTM,DT
Etwa an der Stelle des heutigen Frankfurter Saalbaues, im alten Jungßof, hatte
deffen damaliger Beßrer, der ßolländifcße Oberft Bender von Bienentßal im
Jal)re 1756 einen Saal erbaut, der zuerft für Konzerte fowie als Andacßtsraum
der reformierten Gemeinde diente, aber nach) der Befet^ung Frankfurts durch die Fran-
zofen 1759 für die Aufführungen einer franzößfcßen Gßeatertruppe eingerichtet wurde.
Frankfurt hatte damals noch kein ftändiges Gheater. tUandernde Gruppen, denen nur
während der Öfter- und Fjerbftmeffen, und auch da nur an den Klocßentagen, die
Spielerlaubnis erteilt wurde, produzierten fid) bis dahin lediglich in großen Bretter-
buden, die fie felbft errichten mußten, auf dem Roßmarkt.1 Kläßrend der franzöfi-
fcßen Befe^ung hatte Frankfurt nun zum erftenmal ein ftändiges Gheater, im Jungßof-
faal; ausfcßlaggebend für diefe Einrichtung waren die militärifchen Machthaber, und
der im Goethefchen Fjaufe am Fjirfcßgraben wohnende Königsleutnant, Graf Gßoranc,
hat eine entfcheidende Rolle dabei gefpielt. Der junge Goethe befucßte das Gheater
— gegen den öüillen feines Vaters — faft täglich, ausgerüftet mit einer Freikarte durch
feinen Großvater Gextor, und hier hat er feine erften dramatifchen Eindrücke und An-
regungen empfangen, wie in „Dichtung und Wahrheit“ nachzulefen ift. Nach Abzug
der Franzofen ftellte natürlich aud) das franzöfifche Gheater feine GJirkfamkeit ein, und
es begann wieder der alte 3uftand der auf die Meßwochen befchränkten Vorftellungen
wandernder Gruppen. Meift mieteten diefe nun den Junghoffaal trotj aller feiner
Primitivität und feiner räumlichen ünzulänglicßkeiten -— es war eben kein anderer,
größerer Saal in der freien Reicßsftadt vorhanden (vgl. Abb. 1). 3ur Oftermeffe 1771
etablierte fiel) hier die Gruppe der kurpfälzifcßen FJoffcßaufpieler unter der Leitung
Gheobald Marchands, eines ausgezeichneten Künftlers und feingebildeten, taktvollen
Menfctjen. Er wußte fid) und feiner Gruppe eine feßr angefeßene Stellung zu ver-
feßaffen, was für Leute vom Gheater damals noch feßr feßwer war. Befondere Ver-
dienfte erwarb er fid) um die Fjebung des künftlerifcßen Gefcßmacks der Frankfurter
Bevölkerung, die durch Marcßands Vorgänger faft nur an die derbe Koft urwücßßger
Poffenfpiele, FJarlekinaden und FJanswurftiaden gewößnt worden war. Es war nießt
gerade leicßt, das Publikum zum Genuß feinerer Darbietungen zu erziehen, aber Mar-
cßand fe^te ficß und fein Programm durch und füßrte die anmutige Gattung des da-
mals eben zur Blüte gekommenen franzöfifeßen Singfpiels ein; daneben gab er auch
deutfeße Singfpiele, leichtere Komödien und Scßaufpiele.
Neben dem „Dorfwaßrfager“ (Devin du village) Rouffeaus, durch den die Gattung
des Singfpiels in Frankreich zur großen Mode geworden war, brachte Marcßand in
den Jahren 1773 bis 1777 befonders gerne und oft einige von Monfigny vertonte
Singfpiele zu Geßör, deren Gexte von Micßel Sedaine verfaßt waren, fo die dreiaktige
Opera buffa „Le deserteur“ und die einaktige Komödie „Rose et Colas“ (in der deut-
feßen Aufführung „Röscßen und Cola“ genannt). Der Gext der letzteren befteßt aus
einem feßr flüffig gefeßriebenen Profa-Dialog mit Gefangseinlagen, befonders Arietten.
Aucß Goetße ßat das Singfpiel im Jungßoffaal gehört; er feßreibt in Dichtung und
Cnaßrßeit: „Fjöcßft anmutig war der Eindruck, den der Devin du Village, Rose et
1 Vgl.: E. Mensel, Gefd)id)te der Sdjaufpielkunft in Frankfurt a. Main, im Ärd)iv für Frank-
furter Gefcbicbte und Kunft. Neue Folge Bd. 9 (1882).

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