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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Clemen, Paul: Die Abwanderung des deutschen Kunstbesitzes und die neue Kunstschutzverordnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0215

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Von5ammelwefen und Kuujtereigmj]e n

Die Abwanderung des deutfdjen Kunftbefißes
und die neue Kunftfdju^verordnung
Von PAUL CLEMEN
Unter dem 11. Dezember 1919 t)at das Reicßsgefeßblatt eine Verordnung über die
Ausfuhr von Kunftwerken publiziert — das Endergebnis all der Erwägungen und
Beratungen in politifcßen und Sacßverftändigenkommiffionen von faft zwei Jahren,
das Refultat all der Petitionen, Anträge, Refolutionen der berufenen Inter eff enver-
tretungen, der kleinen und der großen Anfragen aus der Nationalverfammlung und
den Landesverfammlungen. Es ift wenig und das ülenige kommt fpät, für viele Fälle
fcßon zu fpät. Aber die Politik ift die Kunft des Erreichbaren — aud) auf diefem Ge-
biete. Die Vorgefcßicßte und die Motive diefer neuen Verordnung, wie fie fiel) aus der
Lage unferes nationalen Kunftbefi^es vor und nach dem 3ufammenbrucß und feiner
Scßußlopgkeit ergeben, die ganz veränderten Verhältniffe, die eine fo lange zurück-
geftellte Maßregel nun doch in letzter Stunde als zweckmäßig erfeßeinen ließen, follen
hier kurz zufammengefaßt, unfere dauernden Sorgen und Nöte und unfere alten und
neuen Bedenken follen hier dargelegt werden.1
Der Kunftßandel zwifeßen den Ländern deutfeßer 3unge und dem Ausland, der
wäßrend des Krieges vielfach unterbunden, zum Feil völlig abgefeßnitten war, ift als
unmittelbare Folge unferes Niederbrucßes neu emporgeblüßt und ßat im Laufe des ver-
gangenen Jahres in geometrifeßer Progreffion eine ganz unerhörte Ausdehnung und
völlig pßantaftifeße Formen angenommen. Nicht nur der alte folide und eßrenßafte
woßlorganiperte Großhandel, der meßr als je die notwendige und unentbehrliche Vor-
arbeit für den Sammler wie vor allem für die Mufeen tut, benutzt die Konftellation,
fondern Fjunderte von kleinen Gefcßäften find neu emporgewaeßfen und im Geheimen
arbeiten vortrefflich orientierte Agenten, durch gut ausgebildete Fjelfer aus allen — aber
aueß aus allen — Kreifen unterftüfet, zufammen mit der fcßon vor dem Kriege be-
kannten Gattung der mareßands amateurs, zu denen jetjt die neue Species der
Gentlemenfcßieber getreten ift. Diefe großen englifcßen und amerikanifeßen, franzöfi-
feßen und ßolländifcßen Fjändler, zum Feil zu großen Crufts zufammengefcßloffen, an
denen aud) wieder bekannte deutfeße Firmen beteiligt find, arbeiten mit Fjocßdruck,
unterftütjt durcß das unaufßaltfame Sinken unferer (Häßrung, das felbft feßeinbar außer-
ordentliche in Deutfcßland gezahlte Preife in Gulden und Francs, in Pfund Sterling und
Dollars umgewandelt nur als feßr befeßeidene Anlagen erfeßeinen läßt. Dazu kommt
im Inland die waeßfende nervöfe ünruße der Befißenden, die von der Fjypnofe des
3iffernwaßnfinns ergriffen find, der die ganze ÜJelt wie ein giftiges Gas dureßdringt.
1 Id) ßatte mich fchon in zwei Äuffäßen in der Lagespreffe zu diefem Cßema geäußert: „Ge-
fährdung des deutfeßen Kunftbefißes“ in der Beilage der Lägl. Rundfchau vom 26. u. 27. Nov. 1919
und „Der öfterreicßifche Kunftausverkauf“ in der Frankfurter 3ekung vom 22. Nov. 1919.

Der Cicerone, XII. Jal)rg., beft 5

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