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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Hübner, Paul G.: Die Abfindung der Hohenzollern
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Die 3eit und der Markt

Kunftpolitik
Die Abfindung der I^obenzollern1
Von Paul G. 5 üb n er.
I.
Hm 13. November 1918 wurde das Kronßdei-
kommißvermögen, am 30. November auch das
Privatvermögen des preußifcßen Königsßaufes
befcßlagnaßmt. Die „vorläufige“ Befcblagnaßme
des Privatvermögens erfolgte „mit Rückficht dar-
auf, daß die 3ugeßörigkeit der einzelnen Ver-
mögensgegenftände zum Kronfideikommißver-
mögen und zum Sondervermögen des preußi-
fcßen Königsßaufes zweifelhaft erfcheint“. In
den beiden Bekanntmachungen, welche natur-
gemäß auch von den unabhängigen Mitgliedern
der Regierung gezeichnet find, ift von einer
Hbficßt, das Privateigentum zu konfiszieren,
nichts zu erkennen.
Die Streitfrage, welche den Hnlaß zur Be-
fchlagnahme der gefamten Vermögensmaffe ge-
geben hatte, wurde fofort Gegenftand eingehen-
der Prüfung. In Verbindung mit den namhafteften
Staatsrechtslehrern prüfte eine Kommiffion bei
den einzelnen Beftandteilen des Kronvermögens,
ob fie dem König als Landesoberhaupt oder als
Privatmann zuftehen.
Die Gutachten aller befragten Juriften, auch der
am weiteften links ftehenden, ftimmen über den
Umfang des Privateigentums in allen wefent-
lichen Punkten überein. Privateigentum find
außer dem perfönlicßen Eigentum jedes einzelnen
Familienmitgliedes
a) der Änfpruch auf die Kronfideikommißrente,
b) faft alle vom Könige feit 1794 erworbenen
Grundftücke,
c) fämtliche beweglichen Gegenftände.
Huf Punkt a brauchen wir hier nicht einzu-
gehen. Die juriftifche Klarftellung ift nicht ganz
einfach, und diefer Punkt ift bereits des öfteren
erörtert worden. Huch Hnfcßüß kommt zu dem
klaren Schluß: „Bepß, Verwaltung und Nußung
des dem königlichen FJaufe quoad jus zufteßen-

1 Anmerkung der Sdjriftlcitung. Der verant-
wortliche Dezernent für die Kunftdenkmäler im Berliner
Finanzminifterium, Dr. Paul G. F)übner, der vor dem Kriege
an der Bibliotl)eca berftiana in Rom tätig war, hat die
hier mitgeteilten Ausführungen zum erftenmal in der
Deutfchen Ällg. 3eitun9 vom 20. Februar veröffentlicht.
Ein uns frdl. zur Verfügung geteilter Sonderabdruck
überzeugte uns von der Notwendigkeit, den fehr klugen
Beitrag des kenntnisreichen Verfaffers ohne Kommentar
aud) an diefer Stelle zum Abdruck zu bringen.

den Hnfpruchs auf die alte Kronrente fteßen
noch heute dem vormaligen Kaifer und König
öüilhelm II. zu.“
Bei Punkt b und c dagegen liegen die Ver-
hältniffe einfach. Selbft wenn man annehmen
wollte, daß die Kronrente eine Hrt Gehalt des
Königs fei, fo ßnd Grundftücke und Mobilien,
die von diefem Gehalt gekauft find, Eigentum
des Königshaufes geworden und gebliehen. Huf
keine öüeife kann der Staat hier einen Recßts-
anfprud) geltend machen.
QLIürde nun bei der Eigentumstrennung rück-
fichtslos nach diefen rechtlichen Feftftellungen
verfahren, fo müßte der Staat, abgefehen von
der 3ablung der Rente, dem Königshaufe aus
dem befchlagnahmten Vermögen fämtliche im
Laufe des 19. Jahrhunderts erworbenen Grund-
ftücke, vor allem aber das gefamte Inventar der
Schlöffer und Gärten, alle Kunftwerke, den Fun-
dus der Cheater ufw. herausgeben, ttlas für
eine Verkümmerung aller jener Dinge dies be-
deuten würde, braucht nicht im einzelnen er-
örtert zu werden; eine folcheLöfung ift fcßlechter-
dings unmöglich. Statt einer gewaltfamen 3er-
fchneidung muß eine organifche Loslöfung
ftattßnden.
Es gibt zwei Möglichkeiten für den Staat, dies
zu erreichen: Hnwendung von Gewalt, d. h- Er-
laß eines Gefeßes, oder gütliche Verein-
barung.
Die erfte Möglichkeit ftößt auf fehr ernfte
Schwierigkeiten. Durch §153 der neuen Reicßs-
verfaffung ift die Ctlegnahme von Privateigen-
tum ohne angemeffene Entfchädigung ausge-
fchloffen. Es wäre alfo zunächft ein verfaffung-
änderndes Reicßsgefeß notwendig. Daß für diefes
bei der Nationalverfammlung eine Mehrheit zu
ßnden wäre, ift unwahrfcheinlich, um fo mehr,
da inzwifchen eine Reihe von Einzelftaaten fiel)
mit ihren früheren FjerrfcFjerhäufern bereits im
ttlege des Vergleichs geeinigt haben. Im übrigen
hat feinerzeit der Abgeordnete Fjeilmann für die
Fraktion der Mehrheitsfozialiften in der preußi-
fchen Landesverfammlung erklärt, daß feine
Partei für ein Husnaßmegefeß gegen das Königs-
haus nicht zu haben fein würde.
In diefer Äußerung tritt die Grundanfcßauung
zutage, die dem Plan eines Enteignungsgefeßes
in bezug auf die Fjerrfcßerhäufer überhaupt ent-
gegenfteht. Jeder zivilifierte Staat baut fleh auf
der Grundlage des Rechts auf; eine der erften
Bekanntmachungen der revolutionären preußi-
fchen Regierung unterfagte die politifcße Kon-
trolle der Gerichte. Eine demokratifeße Re-

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