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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Sammlungen -— Ausheilungen

von Greifswald“, das nebelhafte „Segelfcßiff“, die
„Dünenwanderer“ ganz ficßer zu den intimften
und malerifd) vollkommenften Gemälden von
Friedrich), find es die Üderke von Karl Guftav
Carus und Cßriftian Friedrich Gille, die eine künft-
lerifche und kunfthiftorifche Entdeckung bedeuten.
Carus, den man als Leibarzt und Natur-
forfcher, allenfalls als Kenner bisher mehr ge-
fcßäßt hat wie als Maler, zeigt fich in der
Sammlung Lahmann offenbar als mehr denn als
Dilettanten: feine höchft ftimmungsvolle „Mond-
nacht über einem Schilfgewäffer“ und ein Meeres-
bild im Mondfehein find in fich fo abgerundete
und vollwertige Leitungen, daß fie ihn minde-
ftens neben Oehme, wo nicht neben Friedrich
felber hinaufrücken. Und in einer „Meeres-
brandung“, feinem größten Gemälde, erreicht er
gar eine Kraft der Änjcßauung, die ohne wei-
teres an Courbet denken läßt, wenn auch natür-
lich die Onterfcßiede der malerifchen Mittel einen
folchen Vergleich nicht weiter als bis zur all-
gemeinen Äuffaffung zulaffen. Es ift immerhin
merkwürdig, welche fchöpferifche Vielfeitigkeit
die romantifche Kultur noch hervorgebracht hat,
daß ein ausgezeichneter Ärzt und Forfcher feine
nebenbeigehende Liebhaberei mit einer folchen
Verinnerlichung betreiben konnte; fo daß man
feine Forderung, die Landfcßaftsmalerei müffe
eine „Erdlebenkunft“ mit pantßeiftifcßer Be-
feelung der Natur werden, mit Recht auf feine
eigenen Leiftungen beziehen kann.
Eine völlige Neuentdeckung aber bildet (nun-
mehr auch für die Öffentlichkeit, da die Befucher
der Privatfammlung diefe haben vorwegnehmen
können), das Cüerk des Dresdeners Cßr. Fr.
Gille. Da er 1805 geboren und 1899 in Dresden
geftorben ift, von feinen Gemälden aber nur die
„Fjerbftbäume“ 1829 datiert find, fo muß erft noch
feftgeftellt werden, in welche 3eit feine Haupt-
werke fallen, um ihn kunfthiftorifch richtig be-
urteilen zu können. Denn es ift nicht gleich-
gültig, ob ein fo weich und frei im eigentlichen
malerifchen Sinne gehaltenes Bild wie der„6üeg
im Großen Garten“ 1830 oder 1860 gemalt wor-
den ift. Indeffen erlaubt die Analogie einer
großen Anzahl feiner 3eitgenoffen, anzunehmen,
daß diefe frifeßen und breiten Studien Früh-
werke find und fomit geftatten, ißn in die ftändig
anwaeßfende Reiße jener realiftifcßen Land-
fcßaftsmaler zu verfeßen, deren Prototyp etwa
ülaßmann oder Scßilbacß bilden, und die eine
parallele Erfcßeinung zu der Schule von Bar-
bizon darftellen. Seit 1906 hat man diefe Gruppe
ftändig anwaeßfen feßen; und es ift die Schuld
ißrer Vereinfamung und 3ertreuun9 über ganz
Deutfcßland, daß fie für ißre Seit und Fjeimat

nicht das bedeutet haben, was die Barbizon-
maler für die Kunft Frankreichs waren. Ißre
Entdeckung ift leider allzufpät erfolgt. Daß wir
nun auch Gille kennen und als einen Bahn-
brecher des malerifchen Realismus um 1830
feßä^en können, ift das ausfcßließlicße Verdienft
Laßmanns; denn es ift kaum anzuneßmen, daß
man andernorts diefen füllen Künftler kennt und
gefammelt hat. Sollte diefer Fjinweis dennoch
dazu beitragen, Cüerke von ißm aus der Ver-
borgenheit zu zießen, fo wäre der Unterzeichnete
für folcße ffinweife dankbar.
Die Gelegenheit diefer Leihgabe hat auch zu
einer teilweifen Neuaufteilung in den oberen
Räumen der Gemäldegalerie Anlaß geboten, wo-
durch eine beffere Überficht der 3ufammenßänge
erreicht wurde. Gleichzeitig fanden einige Neu-
erwerbungen Pla-ß, wie ein umfangreiches,
unvollendetes „Friedßofstor“ von Friedrich,
ein Reiterbildnis von Trübner und ein großes
Paftell „3wei Tänzerinnen“, womit Degas nun-
mehr würdig in der Sammlung vertreten ift.
. Paul F. Schmidt.
Danzig
In das Stadtmufeum gelangte durch Stiftung
eines Danziger Bürgers ein Selbftbildnis Max
Liebermanns. Das Gemälde fteilt den Meifter
mit der Palette in der Fjand vor der Staffelei
fteßend dar, und ftammt aus dem Jahre 1919.
Äusftellungen
Berliner Äusftellungen
Drei neue Äusftellungen von befonderer Art
verdienen der Beachtung. Alle drei find glück-
licßerweife nicht groß und ermüden daßer nicht
fo feßr wie die für den Augenblick rußenden
offiziellen Kunftausftellungen der Sezefßonen, die
fich aber bereits zu neuem Tun rüften.
Auf der lebten Ausftellung der Berliner Se-
zeffion fiel der Rute Boris Grigoriew mit
einigen aparten, äußerft felbftficßeren und durch-
aus fremdartig wirkenden Gemälden auf. Der
erfte Ausländer wurde freudig in dem Kreife
der Berliner Sezeffion aufgenommen und zäßlt
heute bereits zu deren ordentlichen Mitgliedern.
Nunmehr zeigt uns I. B. Neumann weitere
Proben diefes Künftlers, der fid) inzwifeßen in
Berlin niedergelaten hat. Icß finde aber, daß
der erfte Eindruck ein viel ftärkerer war, und
daß die 23 Gemälde und ungefähr 150 3eid)-
nungen im Grapßifcßen Kabinett eher den Ein-
druck zerfplittern als vertiefen. Grigoriew ift
unbedingt ein ftarkes Talent und, wie gefagt,
ein eigenartiger Künftler, der ganz in der öft-
licßen Kultur bafiert und daßer auch in den-

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