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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Büchersammelwesen
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Verschiedenes
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Bücherfammelwefen — Verfdjiedenes

treffen, um dadurch) allmählich wieder eine Ge-
fundung der Verhältniffe herbeizuführen.
Die pofitive Ergänzung zu diefen wefentlich '
kritifd) gehaltenen Darlegungen bietet Schulte-
Strathaus in einer fchönen (Hürdigung der Ver-
diente des kürzlich verftorbenen holländifchen
Cypographen Charles Enfchede. Man ift auf die
vorbildlichen Leiftungen der Enfchedefcben Preffe
vor allem durch die Druckwerke desVerlagesFjans
von Kleber inDeutfchland aufmerkfam geworden,
und die große Nachfrage, die auch heute noch
nach diefen Drucken befteht, beweift, daß es fid)
um keinen Äugenblickserfolg gehandelt hat. Kle-
niger bekannt als der Drucker ift der Schrift—
fteller und ForfcherEnfchede. Gegenüber Schulte-
Strathaus, der auch auf diefen Ceil der Lebens-
arbeit des Holländers näher eingeht, möchte ich
aber doch darauf hinweifen, daß die Ergebniffe,
zu denen Enfchede in feinen Studien zur Ge-
fd)id)te des Buchdrucks und der Schriftgießerei
gelangte, durchaus nicht unbeftritten find. Ge-
rade einer der genaueften Kenner des älteren
Buchdrucks, Otto Hupp, hat neuerdings den im
wefentlichen von Enfchede herrührenden Er-
klärungsverfud) des alten Cypenguffes, die fo-
genannte „Hbklatfd)metl)ode“, mit gewichtigen
Gründen bekämpft. Huch die übergroße Bedeu-
tung, die nach Enfchede der Schriftgießerei in
der Frühzeit der Druckkunft zukommt, ift von
berufenfter Seite angezweifelt worden.
Die übrigen Beiträge, unter denen ich den
Brief eines alten Bücherfreundes befonders her-
vorhebe, ftehen auf dem gleichen Niveau und
bieten mancherlei Änregung und Förderung. Er-
frifchend wirken auch die kritifd) gehaltenen
Bud)befprechungen am Schluß des Heftes, wenn
man auch in Einzelheiten gelegentlich anderer
Änficht fein wird. In der Hnzeige von Ruis-
broecks, „Die 3ierde der geglichen Hochzeit“,
heißt es z. B.: „... Die Schrift, eine Nachbildung
der charakteriftifchenfranzöfifchenBaftard-Cypen
aus dem Ende des 15. Jahrhunderts (der Vor-
läufer unferer „deutfchen“ Fraktur), ift fd)ön ...“
Diefer Satj fordert zum tüiderfpruch heraus,
zwifchen den Baftardtypen und der Fraktur be-
fteht meines Kliffens keinerlei hiftorifcher 3u~
fammenhang. Die Fraktur ift eine Fortbildung
fowohl der gotifchen als auch der Schwabacher
Druckfchrift und hat von beiden Schriftarten
Elemente in fid) aufgenommen, auf welche die
Baftardtypen keinen bemerkbaren Einfluß aus-
geübt haben.
Daß aber erfreulicherweife auch einmal Bücher
genannt werden, die nicht zu empfehlen find,
begrüße ich fel)r und ftimme, befonders was
Hirfchbergs Erinnerungen eines Bibliophilen an-

langt, der Verurteilung des Herausgebers voll
und ganz zu. Die äußere Form des Heftes, das
gute Papier, der fchöne Druck in Ehmke-Fraktur,
entfprechen dem gehaltvollen Inhalt. — Man
kann diefer neuen 3eitfchrift fomit nur eine
recht weite Verbreitung in den Kreifen unferer
Bücherfreunde wünfchen. v. R.
Verfd)iedenes
Eine Raffael-Epifode
Gleichfam als Äuftakt zur Jahrhundertfeier
Raffaels im Hpril diefes Jahres, die in ganz
Italien vorbereitet wird, tauchten plötzlich in
Rom zwei bisher unbekannte Gemälde auf, die
den Hnfpruch erhoben, von Raffaels eigener
Hand zu fein. Das eine Bild foll gleich ver-
kauft worden fein. Es foll ein Porträt der
Herzogin Elifabetta von ürbino gewefen fein.
Das andere Gemälde erregte noch größeres
Intereffe. 3war hat fiel) die Öffentlichkeit noch
nicht mit dem Fund befchäftigt, aber alle nam-
haften Kunftgelehrten haben das Bild gefehen.
Es präfentiert fid) als eine Skizze zum Porträt
Leos X. im Palazzo Pitti. Man möchte meinen,
es fei einer der erften Entwürfe, den Raffael
fpäter in der Hauptfachs aufgegeben hat. Huf
den Kreidegrund einer rießgen Holztafel fieht
man die 3eid)nung teils in Kohle, teils in Sepia
angelegt. 3u einer Ausführung in Farben ift
es nicht gekommen.
Leo X. trägt die Ciara auf dem Haupt, die
Rechte hat er fegnend erhoben, in der gefenkten
Linken hält er ein Buch- Hinter ihm fieht man
die reichgefchnißte Lehne eines Seffels; neben
ihm rechts — flüchtiger ausgeführt — erfcheint
der Kopf des Kardinals de’ Roffi.
Niemand, der diefen Entwurf zum erftenmal
gefehen hat, konnte fid) feinem 3auber ent-
ziehen. Klie viel vornehmer, wie viel charakter-
voller erfcheint Leo X. in diefer Skizze, denkt
man an das Gemälde im Palazzo Pitti! Klie
plaftifd) find die Hände modelliert, wie ficher
ift die 3eid)nung ausgeführt! Das wurmftichige
Holz, der von taufend Furchen zerriffene Kreide-
grund fcheinen auch äußerlich das Hlter des
merkwürdigen Bildes zu bezeugen.
Es war für einige Hunderttaufend Lire einem
Privatmann in Rom zum Kauf angeboten, der
aber durch die unleugbaren Qualitäten des Bildes
allein nicht von feiner Echtheit zu überzeugen
war. Er wollte auch äußere Garantien befißen,
ehe er es unternahm, den Frieden feines Haufes
durch einen „Raffael“ zu kompromittieren. Hber
ein Stammbaum für das Bild war nicht bei-

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