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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 6
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Wedderkop, Hermann von: Die Kölner Museumsfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0275

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Die 3eit und der Markt

Kun ft politik
Die Kölner Mufeumsfrage
Von 5- v. Kledderkop.
Das einzig Kontinuierliche in diefer Frage ift
der ünterftrom von Intrigen, Hemmungen, Ent-
fchlußlofigkeit, ünfad)lid)keit, der fid) gegen
ihre Löfung wälzt und [ie durch feine 3äl)igkeit
zu verhindern weiß. Über [0 periphere Dinge
wie Verwaltungsangelegenheiten fchreiben, ift
im übrigen allemal langweilig, man würde lieber
feine Gedanken zentraleren Dingen zuwenden
und dort Ordnung zu fchaffen fucben.
Diefe Kölner Frage hat fich zum Cypifchen
ausgewachfen, fie wäre längft ein Skandal, wenn
hier irgend jemand in maßgebenden Kreifen an
künftlerifcßen Dingen mehr als ein Beluftigungs-
intereffe nähme. 3wei Mufeen, das mallraf-
Richartz- und das Kunftgewerbe-Mufeum ftehen
feit ca. fünf Jahren ohne Leiter in diefer Stadt
herum, vermodern und verfchimmeln. Uler
garantiert dafür, daß die Bilder der Kölner
Schule nicht durch den Mangel an Pflege ge-
litten haben? Das mag noch zweifelhaft fein,
aber unzweifelhaft ift, daß fünf Jahre verftrichen
find, ohne daß die Beftände des (Ilallraf-Richar^-
Mufeums fid) erweitert haben. mährend diefer
3eit hat Swarzenfki in Frankfurt einen Cinto-
retto, einen Bofch, einen Longhi, um nur das
Befte zu nennen, und einen Fjaufen andrer guter
Bilder und Plaftiken gekauft. Er hat die auf
lange Seit letzte Konjunktur ausgenüljt, denn
von jetzt an find die Mufeen in die Rolle eines
Bettlers gekommen, fie werden leben von den
Almofen der Kriegsgewinnler.
Es find nicht wenige heute, die die Mufeen
abfchaffen wollen. Die Kölner 3uftände können
ihnen für ihre Argumentation den beften Stoff
liefern. KIozu bedarf es diefer toten amorphen
Maffe, in die die alten Kölner aus dem Dunkel
der Kirchen geholt find und die fich der neuen
Kunft gegenüber fd)laff und nichtsnutzig ver-
hält? Ein Mufeum wie das mallraf-Richarjz-
Mufeum macht den Eindruck einer Grabkammer.
Das Äußerfte von Modernität ift der Picaffo
IJagelftanges, ein fcßönes einfaches merk, das
zwar bei weitem nicht die Dynamik eines guten
Cezanne hat, aber doch gewiffe Tendenzen des
ftatuarifchen und des farblichen Selbftausdrucks
zeigt. Seitdem modert alles, während ringsum
das Gefd)äft blüht, während durch die Fjoch-
ftraße von morgens bis abends fich ein Geld-
ftrom wälzt und aus dem dunkleren Deutfch-

land hier alles an die Krippe voll von Mög-
lichkeiten drängt. Die Aufgaben Kölns mögen
groß fein, um dem Anfturm zu begegnen. Aber
fie erklären die Lethargie der Stadtverwaltung
nicht, es handelt fid) um andere Gründe. Die
beifpiellofen 3ußände find typifd) für unfere
ganzen kulturellen 3uftände, für die nebenfäch-
liche Rolle, die in Köln kulturelle Dinge fpielen;
fonft wäre es nicht nötig, fich hmzufeljen und
die Fiebelweisheit zu verkünden, daß ein Mufeum
einen Leiter haben muß.
Es ift ein unwürdiger 3uftand, erprobte Leute
fid) vorftellen zu laffen, fie zu überhören und
die Entfcheidung dann bis ins Endlofe zu ver-
zögern. Es wird von folchen Leuten ein über-
mäßiges Maß von Liebe zur Sache verlangt,
wenn fie fid) immer noch bereithalten und um
der Sachlichkeit der Aufgaben perfönliche Dinge
hintanfetzen.
Die Aufgaben waren leider größer als fie es
jet^t find. Es beftanden noch Möglichkeiten,
während der Kriegsjahre nicht nur wichtige,
fondern auch fchöne Dinge zu erwerben, inner-
halb der alten Kunft. Kein Menfd) regte fid),
als diefe Dinge auf dem Markte waren. Sie
find mit ihrem Goldwert längft den tüeg ge-
gangen, den ihnen das Schwergewicht des aus-
ländifchen Kurfes vorfchrieb. Verkäufe, die
Fjagelftange noch abgefchloffen hatte, mußten
mit vieler Mühe fogar rückgängig gemacht
werden, ganz abgefehen davon, daß natürlich
Neues nicht erworben wurde.
&üäl)rend diefes leeren 3eitraums hatte fid)
eine Menge neuer Kunft angefammelt und
brauchte nur eingeheimft zu werden, mas Jufti
im Kronprinzenpalais in Berlin angeftrebt hat,
eine Rückfchau über die leiste Kunft, hätte hier
am Rhein vorbildlich längft verwirklicht fein
können. Diefem faturierten, in feine materiellen
Intereffen völlig verfponnenen Köln wäre Luft
gemacht worden, wenn man in die Muffigkeit
diefer ftickigen Atmofphäre Bewegung und Le-
ben gebracht hätte. Die ungeheuren materiellen
Vorteile, die diefe Stadt genießt, die Vorteile
dazu einer in Deutfcßland einzigen Tradition,
einer unvergleichlichen Gunft der Lage wären
ausgenutzt; fie würden im Verein mit einer le-
bendigen aktiven Kunftpolitik ein Ganzes von
einer Abrundung geben wie nirgendwo fonft in
Deutfchland. Fjeute fieht man in einen Nebel;
die Stadt ift um taufend Möglichkeiten betrogen
worden. Die Kölner füllten fich in Frankfurt
umfehen. Sie werden dort erkennen, was Sach-
lichkeit und Klarheit erreichen kann.

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