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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 6
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0279

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Ausheilungen

Äusftellungen
Äusftellungen in New York
Man muß es den New Yorker Kunfthändlern
nachrühmen, daß [ie händig bemüht find, ihrem
Publikum im Rahmen ihres Gebietes immer
wieder neue Anregungen zu bieten, Und das
gefd)iel)t mit einer gewiffen Großartigkeit, die
nichts von Eintrittspreifen und zu bezahlenden
Katalogen weiß, fondern die zur Schau geftellten
Cüerke jedem Kunftliebhaber ohne weiteres zu-
gänglich macht. So befteht die Schwierigkeit
für den Kunftfreund mehr in der Überfülle des
Angebots.
Erfreulich ift es auch, daß mehr und mehr
Kunftfalons ihre Cüren der modernen, expreffio-
niftifchen Richtung öffnen und öfters gerade die
Führer diefer Bewegung hierzulande zu ihren
charakteriftifchen Schöpfungen vorführen. Dies
ift an Stelle der noch vor einigen Jahren auf
Senfation ausgehenden Äusftellungen Moderner
getreten, die lauten (Xliderfpruch und damit
Reklame hervorzurufen geeignet fchienen.
Eine die neue Richtung mit größtem Verftändnis
und offenbarer Fjingabe pflegende Firma ift die
des Mr. St. Bourgeois, die einer bedeutfamen
Edvard Munch-Ausheilung eine folche von
Skulpturen des Gafton Lachaife hat folgen
laffen. Diefer Künftler geht felbft in der Klein-
plaftik auf Monumentalität aus und ift ftets be-
ftrebt nur den innerften Kern feines Gegen-
standes in plaftifche Geftalt umzufegen. Sein
Gegenftand aber ift meiftens das CUeib, das Uleib
einmal als Urphänomen, fodann als Menfchen-
mutter und als Individuum. In einer Riefen-
gruppe „Liebe“ bemüht er [ich diesmal um den
Kampf und das 3ufammengehen der Gefchlechter
mit großen, wie nach innen gerichteten Geften.
Ein neuer kleiner Kunftfalon — M. de3ayas-r-
bradbte erft franzöpfche Meifter von Ingres bis
Picaffo und führt nun neue Ulerke des Ameri-
kaners Arthur B. Davies vor. Diefer wahr-
haft bedeutende Künftler, deffen frühere ttlerke
fdjon ein Fjinneigen zu etwas wie gotifchem
Stilempfinden aufweifen, und der dann im vollen
Einfchwenken zur Moderne fich zeitweife, wie
um eine möglichft ftrenge Lernzeit durchzu-
machen, faft den Kubiften anfdpoß, zeigt nun
eine Reihe köftlich bewegter kleiner Aquarelle
und Äquatintblätter fowie einige Monumental-
köpfe, teils wie aus innerem Feuer feftgefdjmiedet,
teils wie in glücklichem Craume gefchaut und
mit unfehlbarer fjand feftgehalten.
Der Grolier Club veranftaltete jüngft eine
erftaunlid) reiche, ja der wahren Klunder volle

Äusftellung von merken Ulilliam Blakes aus
dem Befig feiner Mitglieder. Blake kann ja als
ein Vorläufer der modernen Bewegung ange-
fehen werden, und diefe Äusftellung hat das
nur wieder beftätigt, wenn auch gewiffe Ma-
nieriertheiten Blakes äußerlich den Befchauer
auf andere Bahnen weifen mögen. Ein Blatt
aber wie das in der Grolier-Äusftellung durch
eine vorzügliche Kopie vertretene, das „Jahve
mit dem 3irkel, die Erde abmeffend“ darftellt
und faft nur tätiger, von innerem, geiftigem
Impuls getriebener Arm ift, läßt Blake als wahr-
haftigen Vater unferer beften heutigen Künftler
erkennen. CUundervoll auch unter der Fülle des
herrlichen ein Aquarell zu Miltons „Fjymne auf
die Geburt Chrifti“, das fich in kaum endender
Reihe aus ftets wechselnden, die „3al)l Gottes:
1=3“ immer von neuem betonenden und gleich-
fam beftätigenden Dreiecken zu tieffter Innigkeit
und dabei doch erhabenfter Größe zufammen-
fchließt. Von höcbftem Intereffe ift es auch, die
Aquarelle zum Buch f)iob mit den fpäter aus-
geführten Stichen zu vergleichen, denn man kann
das Cüachfen des tüerkes im Geift und Fjerz des
Künftlers verfolgen. Im fchönften Blatt diefes
in feiner Art einzigen CUerkes, dem der Gottes
Lob fingenden Morgenfterne, fehlt im Aquarell
der Arm eines Engels zur rechten und linken,
der im Stich die Kette der fingenden Schar ins
Unendliche erweitert, das ganze Univerfum am
Lobe Gottes teilnehmen läßt.
Daß der moderne Fjefeteig beginnt feine Klir-
kung auszuüben, beweifen fo manche „Ein-
mannsfchaue“, in denen man ein aufrichtiges
Sichauseinanderfegen mit den neuen Prinzipien
zu erkennen vermag. Und aus einem folchen,
nicht aus einem Nachbeten kann allein das rechte
werden. Um nur ein einziges Beifpiel anzu-
führen: Fjarry B. Lachmann, unter deffen bei
Fjenry Reinhardt & Sons kürzlich gefehenen
Landfchaften vor allem eine war, die ein ebenfo
eifriges wie eindringendes Studium Cezannes
bewies und für einen jungen Künftler eine er-
ftaunliche Leiftung an konzentrierter Kraft darftellt.
Etwas ähnliches läßt fich von den Landfchaften
Cüalter Ufers Tagen, der mit der fogen. Laos
Society bei Milch ausftellt. Diefes Caos, ein
abgelegenes Cal im fernen Südweften, in dem
noch Indianer wie vor vielen Jahrhunderten
wohnen, ift für einige Maler ihr Cahiti geworden,
ihr Jungbrunnen, zu dem fie immer wieder-
kehren, um fich nicht verkünfteln zu laffen.
Ein fchon älterer, bisher in völliger 3urück-
gezogenheit lebender Künftler, ein geborener
Landfehafter, Edward Adam Kramer, wurde
von mehreren ihn verehrenden Kollegen dazu

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