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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 10
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Kunstpolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0441

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Die der Markt

Kunftpolitik
Der „Kunftfdjut} im Kriege“
in neuer Beleuchtung1
Das Buch des Kunfthiftorikers Dr. 5- Burg
ift eine notwendige Ergänzung zu dem gewich-
tigen zweibändigen „Kunftfdmh im Kriege“, der
offiziellen Publikation der Denkmälerfchutjkom-
miffion, die an diefer Stelle (Jatjrg. XII, 5eft 3)
befprocben worden ift. Sie verhält fich zu diefer
etwa fo wie Kautskys Veröffentlichungen der
Kriegsakten zu den Hleißbüchern der kaifer-
licben Regierung. Burg, der den Kunftfchutj in
dem wichtigen Sektor Cambrai - Valenciennes
der franzöfifchen Front 1917/18 übernahm, und
der an jenem offiziellen Klerk nicht beteiligt ift,
fchildert hier mit anfcheinender Objektivität, wie
es dort an und hinter der Front wirklich zuge-
gangen ift. ttlenn man Front und Etappe als
Soldat und in der 3ivilverwaltung etwas kennt,
wird man ihm Glauben fchenken müffen. Es
ift wichtig, und heute wichtiger denn je, feft-
zuftellen: daß der ganze Kunftfcßuß an der
tüeftfront ohnmächtig war gegenüber dem Mi-
litarismus; daß im Grunde nichts „gefdßüßt“
worden ift, fondern die Generäle fkrupellos taten,
was ihnen die Kriegsnotwendigkeiten zu ver-
langen fchienen, d. h- Kunftwerke zerftörten und
bei den Rückzügen im Sommegebiet 1917, von
Auguft bis Oktober 1918 die evakuierten Städte
mehr oder weniger offiziell ausplündern ließen.
Feftzunageln ift befonders gegenüber allen offi-
ziellen Befchönigungen, daß Cambrai und Douai
in einem völlig ausgeraubten und zerftörten 3u-
ftande den nachrückenden Franzofen hinterlaffen
wurden; daß militärbureaukratifcbe Barbareien
fcßwerfter Ärt bei der Metallbefcßlagnahme ftatt-
fanden (woran es auch in Belgien nicht gefehlt
hat); und daß nicht etwa nur Mannfchaften,
fondern Offiziere bis zu hohen Stäben hinauf
handgreifliches Gefallen an den Kunftwerken im
Feindesland fanden. Es ift gut, daß dies von
einem Deutfcßen feftgeftellt wird, der hinter die
Kuliffen fah und aus eigenem Augenfcßein fpricht.
Die Folge fcheint auch die gewefen zu fein, daß
Burg fich beim Militarismus in einem für ihn
gefährlichen Grade mißliebig gemacht hatte. Man
wird ihm deshalb die Ausführlichkeit nicht ver-
übeln können, mit der er am Schluffe feine
rettende Tätigkeit in Cambrai und vor allem in
1 Fj ermann Burg, Kunftfdjuij an derttleftfront.
CI)arlottenburg, Deutfctje Ver 1 ag s g efe llf d) af t für
Politik und Gefdjicßte m. b. 5. 1920.

Valenciennes behandelt (deffen Mufeumsfchä^e
er nach Brüffel gebracht hat); eine Tätigkeit,
die von ümfid)t und Entfcßloffenheit zeugt.
P. F. S.
Künftler und Luxus ft euer
In einer Sonntag, den 25. April, ftattgefundenen
Vollverfammlung des Rates für künftlerifche
Angelegenheiten Frankfurt a. M., in der
Rechtsanwalt Dr. Eisner über dasChema „Künftler
und Luxusfteuer“ referierte, wurde folgende Re-
folution gefaßt:
„Die Gefamtheit der Frankfurter Künftler emp-
findet die Regelung, welche die Befteuerung
künftlerifcher Leitungen, insbefondere der le-
benden Künftler, im neuen ümfaßfteuergefelj
erfahren hat, als unhaltbar und begehrt deren
fofortige Revifion im GUege der Gefeßesände-
rung. Die auf Kunftwerke zu erhebende Luxus-
fteuer ift ungerecht, unnütj, praktifd) undurch-
führbar und kulturfchädlich. Es wird durch fie
der Künftlerftand als der einzige Stand unter
den freien Berufen getroffen. Die Steuer wird
bei der geringen Anzahl der zur 3ßit lebenden
Künftler nur einen geringen Ertrag bringen, der
zu dem durch fie unmittelbar und mittelbar an-
gerichteten Schaden in einem kraffen Miß-
verhältnis fteht.
Ihre praktifche Durchführbarkeit fcßeitert daran,
daß irgendeine fteuerlicße Kontrolle über das
Schaffen des Künftlers unmöglich ift. Die Luxus-
fteuer bewirkt eine Schwächung, wenn nicht gar
eine Vernichtung desjenigen Standes, der aus
kulturellen Gründen gerade in der Gegenwart
mit allen nur möglichen Mitteln geftärkt werden
muß. Es ift ein Qnding, daß der intuitiv fdjaf-
fende Künftler gezwungen wird, fich um fcße-
matifche gefeßlicße Beftimmungen zu kümmern,
um nicht Gefahr zu laufen, ftrafrechtlich ver-
folgt zu werden. (Hürde das Gefelj in feiner
jetzigen Geftalt in Geltung bleiben, fo würde
fich der Künftler dem fchablonifierenden Groß-
handel gänzlich ausliefern müffen, was eine
außerordentliche Verteuerung auf dem gefamten
Kunftmarkt zur Folge hätte. Kunft ift kein Lu-
xus, fondern eine kulturelle Notwendigkeit. Die
Förderung der Kunft ift nicht nur eine Sache der
Künftler felbft, fondern die Sache aller Stände
und auch des Staates, find der Staat hot die
Pßicht, die Kunft als lebensnotwendiges Organ
des Volksganzen und als Kulturmoment erfter
Ordnung anzuerkennen.“
Diefe Refolution wird an die maßgebenden Stel-
len, nämlich dem Fjerrn Reichsfirianzminifter und
dem 5errn Reichsminifter für Kultur und Volks-

Der Cicerone, XII. Jafyrg., ßeft 10

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