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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 10
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Sammlungen
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0443

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Ausheilungen

die diefer Sammlung befonders not täte, ift aber
nid}t die Rede. Onter den Neuerwerbungen find
lediglich einige Bilder von R e n o i r bemerkenswert.
Dem Louvre bat der Maler Leon Bonnat ein
Älbum mit neunzig 3eid)nungen Rembrandts
zum Gefcbenk gemacht, unter denen [ich einige
berühmte Blätter des Künftlers befinden, darunter
ein Selbftbildnis von 1630 und einige Entwürfe
zu Fjauptwerken des Meifters wie „David vor
Saul“ u. a.
Sigmaringen
Die bekannte Chriftus-Johannesgruppe imFjaufe
Nazareth, ein Hauptwerk der fchwäbifchen Bild-
nerkunft um 1300, ift vom Berliner Kaifer-
Friedricb-Mufeum zum Preife von 100000 M.
erworben worden.
fllintertljur
Äus dem eben erfchienenen Jahresbericht des
Kunftvereins und des Mufeums zu tüinterthur
erfieht man eine erfreuliche Lebendigkeit des
Kunftintereffes. dnter den beachtenswerten Neu-
erwerbungen und Gefdbenken werden Bilder von
Maurice Barraud, 5- Bifchoff, Daniel IF)ly,
E. G. Rüegg, Bonnard, Redon, Fjodler, Vallo-
ton u. a. genannt. Plaftiken konnten dem Mu-
feum von Paul Kunz (fitjende weibliche Figur)
und Fr. CCIield (Frauenbüfte) gefiebert werden. —
Auch das graphifche Kabinett erfuhr wefentliche
Bereicherungen. Die Befucherzahl ftieg im Be-
richtsjahr auf 15132 Perfonen. Der Konfervator
Dr. Paul Fink verwaltet feine Aufgabe offen-
bar in modernem Geift und mit großzügiger Ge-
finnung. Die Anerkennung gibt ihm zunächft
die ftändig wachfende 3abl der Mitglieder des
Kunftvereins, die jejjt 462 beträgt.
Ausheilungen
Schmidt-Rottluff / Negerplaftik
Die Keftner-Gefellfchaft in Hannover hat
in ihrer Mai-Ausftellung zwei Kollektionen ver-
einigt, die diefe Kunftfchau zu einem der ftärk-
ften Erlebniffe machen. Schmidt-Rottluff, von
dem einige 40 Bilder und 20 Aquarelle zu fehen
find, wird einem feiten fo nahe kommen wie
hier, wo man die Totalität feiner Entwicklung
von den Lagen der Dresdner „Brücke“ bis zu
feinen lebten Schöpfungen zu überblicken ver-
mag. Anknüpfend, aber nur kurz verweilend
beim Neoimpreffionismus, wird ihm van Gogh
zum erften ftarken Erreger, mit dem er [ich
in glutvollen Schöpfungen auseinanderfetjt, be-
vor er den eigenen Stil genommen. Von da
an überrafcht fein Cüerk durch die Unerbitt-

lichkeit einer künftlerifchen Konfequenz, die
kaum nennenswerten Schwankungen unterlegen
ift. Erftaunlich diefer Aufftieg im ganzen, be-
zwingender noch die Einkehr nach innen, die
zu den lebten überhaupt möglichen Gefichten
vordringt. In diefen Bildern, die an Größe der
vergeiftigten Form ihresgleichen fuchen, erlebt
der Expreffionismus fchlecbthin höcbfte Erfüllung
im Schöpferifchen. tüer das nicht fühlt, dem ift
nicht zu helfen. Viele gibt es neben diefem
Künftler, die wert wären, an diefer Kraft ge-
meffen zu werden; aber niemand ift da, der
ftärker wäre als er. Das muß einmal mit aller
Deutlichkeit betont werden. Der Kunftgelehrte
unferer Lage, der fo febwer den Blick loslöft
von dem, was hinter uns liegt, wird angefiebts
diefes Klerkes vergeblich nach Namen fuchen,
die eine Linie nach rückwärts andeuten könnten.
Und trotzdem ift fie da. Aber fie liegt allein
erkennbar in dem Gefühl, aus dem einmal ähn-
lich die große anonyme Kunft der Vergangenheit
erwuchs, d. h- jene Dinge erftanden, die unab-
hängig von 3eit und Umgebung Leites über
die Jahrhunderte hinweg in ewiger Klarheit
künden. Denn dies ift fo feltfam und doch über-
zeugend zugleich, daß Schmidt-Rottluffs Schaffen
in der logifeben Steigerung feiner unerhört ex-
preffiven Ausdrucksmittel letjten Endes fogar
dem Geifte diefer 3eit fpottet, der fonft — wie
der Kulturpfycbologe leicht nachweifen kann —
genug der fchöpferifchen Kräfte freigemacht hat.
Diefer Künftler — fünfzig Jahre eher zur CUelt
gekommen und fo wie er nur der eigenen
Stimme folgend — hätte auch iu einem anderen
3eitmilieu kaum anders produktiv werden können.
Denn feine Kunft — das fühlt man nur zu deut-
lich — ift gefegnet von der Einfamkeit, frei von
Konvention und Mode, ganz auf Erlebnis ge-
ftimmt. So wie er malerifch die Natur be-
zwingt und in der herrlichen Knappheit äußerfter
Reduktion aller Mittel auf das Cüefentliche des
innerlich Gefdjauten einftellt, kat noch keiner
der Modernen feinem Gotte ficb zu nähern ge-
wagt. Fjier ift ein Menfd), der täglich, ftünd-
licb faft, mit feinem Schöpfer ringt, einer der
wenigen, die als Eckpfeiler eines neuen Jahr-
taufend, das mit unferer 3eitenwende begonnen,
befteben werden. COas hier aus der Liefe ein-
famen Erlebens zum Lage der Realität des
Künftlerifchen emporfteigt, fpottet jedweden Ein-
wänden des kritifeben Betrachters. Schmidt-
Rottluff fordert Bekenntnis, da er felbft Bekenner
zum Göttlichen ift. (Den Lefern diefer 3eitfcbrift
fei bei diefer Gelegenheit mitgeteilt, daß eines
der näcbften Fjefte des „Cicerone“ einen reich
illuftrierten Auffatj über den Künftler aus der

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