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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 12
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Karl Schmidt-Rottluff
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0483

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Karl S d) m i d t - R o 111 u f f

Von WILHELM R. VALENTINER
Mit 14 Abbildungen

I.

id)t leidet ift das Los der Menfchen in den wirren 3^iten, in denen die wirklichen


und die geiftigen Schlachten für eine ferne 3ukunft gefd)lagen werden, deniger

” fchwer tragen die Generationen am Leben, die inmitten gefeftigter Änfchauungen
ftehen, zumal wenn es ihnen gelang, große politifche Uräume in die GCIirklichkeit um-
zufetjen. dir aber, die wir das Alte zerfchlagen und das Neue noch nicht gefunden
haben, die wir lieber am Aufbau einer neuen geiftigen Anfchauung als an dem eines
Staatswefens mithelfen, find nicht glücklich zu preifen.
Der künftlerifd) empfindende Menfch, der wohl den befferen Ceii im gegenwärtigen
Deutfchland bildet, ift mit feiner ewig zitternden Seele weniger zum Glück geboren
als der Mann der Cat; und gleichwohl ift in keinem das Glücksbegehren ftärker
als in ihm. dürde er nicht jederzeit alles, was er befifet, für einen Augenblick des
höchrten Glückes tyngeben? Und doch weiß er fo gut wie einer, daß niemals das
Glück, fondern allein geiftige Förderung das 3ie\ menfd)lid)en Strebens fein foll. die
ift ißm, dem in einer d)aotifd)en 3eit Lebenden, da alles unter feinen Füßen wankt
und eine alte delt mit ihrer Gefellfchaft, ihrer Kultur, ihrer Religion verfunken ift, wie
ift ihm, der doch niemals von dem menfd)lid)en dunfche [ich anzulehnen freikommt,
zu helfen, damit er nicht den Fjalt verliere und zugrunde gehe?
Er halte fiel) feft an das, was allein fein Geil ausmacht, nicht an die Güter der delt
— das ift nie feine Sache gewefen — doch auch nicht an das zweifelhafte Glück, das
ihm durch Freundfctjaft und Liebe von Mitmenfchen werden könnte — haben fie doch
felbft heute keinen Galt mehr —, fondern an die Kraft, die ihm aus der Bewunderung
der großen geiftigen Schöpfungen, befonders der feiner eigenen 3eit, fließen kann;
denn in ihnen ift fein eigenes fd)wacl)es dollen verklärt. Er halte fiel) feft an die
geiftigen Führer feiner Generation, die ihn fördern und beglücken werden, wenn er
nur den Mut hat, [ich ihnen hinzugeben.
Es wäre doch wahrhaftig ein dunder, wenn diefe 3eiten ftärkften feelifchen Kampfes
nicht fold)e führenden Geifter ausgefpieen hätten! Und fo find fie denn für den, der
Augen zu fehen hat, auch längft fd)on da; wer fie aber nicht fiel)t, möge immerhin
denen glauben, die von der dahrhaftigkeit ihrer inneren Erlebniffe — diefem alleinigen
Maßftabe für allgemeine derte — überzeugt find. Gaben fie fiel) nicht fd)on einmal
verfpotten laffen müffen, als fie vor zwanzig Jahren für Männer wie van Gogh uncl
Cezanne, die jefet längft anerkannt find, eintraten? Mögen die Ungläubigen und die
Niebekehrbaren weiter lachen — wer zuletzt lacht, lacht am beften — wir wollen nicht
nad)laffen, für die einzutreten, die wir für die Cräger unferer neuen Kultur halten.
Einer von ihnen ift Karl Schmidt-Rottluff.
* *
*
Seine Kunft verlangt, daß man fiel) ihr rückhaltlos hingebe. Sie ift keine Kunft des
Vergleiches oder des Überganges. Obgleich fie felbft der 3ufammenl)änge mit der Ver-
gangenheit keineswegs entbehrt, beanfprudjt fie doch wie alles Neue und Bedeutende
völlig eigene Geltung, eine Bewertung aus fid) felbft heraus.
Ihr defen erfcheint energifcher und konzentrierter als das der meiften neuen Er-
lernungen der gegenwärtigen Kunft. Bald mehr formalen Problemen, bald ganz dem
inneren Ausdruck zugewandt, gibt fid) der Künftler immer mit vollkommener Ein-

Der Cicerone, XII. Jal)rg., ßeft 12

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